Tausendfach wird gefragt, wann sich nach dem Joint die „Fahrtauglichkeit“ mit einem Grenzwert von bis zu 1 ng THC pro ml Blutserum wieder einstellt. Tausendfach kann diese Frage nicht exakt beantwortet werden. Cannabinoide sind nicht linear. Das bedeutet, dass die Abbaukurve von THC direkt nach dem Konsum steil abfällt, dann aber nur noch flach. Bei gelegentlichem Konsum von nur wenig Marihuana wäre der Konsument nach einer guten und langen Nacht vermutlich wieder unter diesen derzeitigen 1 ng THC pro ml Blutserum als Richtwert. Ein Dauerkonsument kann aber auch noch nach ein oder zwei Wochen darüber liegen.
Cannabinoide sind nicht linear
Beim Alkohol ist es hingegen einfach. Ein Mann mit ca. 80 kg Körpergewicht baut ca. 0,15 Promille die Stunde ab. Wenn er bei 1,5 Promille liegt, dann kann er fast sicher kalkulieren, dass er nach über 7 Stunden unter 0,5 Promille und nach über 10 Stunden bei 0 Promille liegt. Zur Sicherheit soll verallgemeinert mit 0,1 bis 0,15 Promille Abbau kalkuliert werden, in diesem Fall 0 Promille nach spätestens 15 Stunden.
Beim Cannabis kommt es noch schlimmer, da neben dem aktiven Stoff, dem Delta-9-THC, auch dessen Abbauprodukt THC-COOH gemessen wird. Wenn der Wert zu hoch ist, wird automatisch ein regelmäßiger Konsum unterstellt. Immer dann, wenn ein regelmäßiger Konsum von z. B. nur einmal im Monat erklärt oder ein zu hoher THC-COOH Wert festgestellt wird, kann die Fahreignung auch ohne aktives Delta-9-THC angezweifelt werden. Da einem der Führerschein nur verliehen wird, kann er entzogen werden. Man selbst steht dann in der Pflicht, die eigene Fahreignung nachzuweisen.
Wenn Senioren im Straßenverkehr von Jahr zu Jahr weniger mitbekommen, dann scheint auf den Nachweis der Fahreignung verzichtet zu werden. Wer als Cannabis-Liebhaber nüchtern am Steuer sitzt, kann seine Pinkelproben selbst bezahlen. Wenn die Abbaukurve von THC nicht linear und damit unberechenbar ist, muss während dieser Kontrollzeiten der Cannabiskonsum komplett eingestellt werden. Das hat bei einigen schon zum verstärkten Konsum von Alkohol oder anderer „linearer“ Substanzen geführt, was es nicht besser macht.
Warum die Abbaukurve von THC anders ist
Beim Alkohol geht dieser einfach über die Verdauung in das Blut und damit durch die Organe. Schrittweise wird er linear abgebaut, die Organe haben ihre Abbaukapazität unabhängig zum Promillegehalt. Die Abbaukurve von THC ist anders. Man ist eigentlich mit rund 20 ng THC pro ml Blutserum noch high oder stoned, da sich noch genug im Gehirn befindet. Aber direkt nach dem Konsum kann man bei über 100 oder sogar bei 200 ng THC pro ml Blutserum liegen. Von 180 fällt der Wert in nur einer Stunde auf 20 und dann nur noch flach ab. Dennoch hält die Wirkung vom gerauchten Marihuana bis zu vier Stunden. Bei gegessenem Marihuana, welches graduell über die Verdauung aufgenommen wird, wäre die Kurve länger auf hohem Niveau und diese Rechnung wäre also damit nicht anwendbar. Es geht in beiden Situationen darum, unter dieses eine ng THC pro ml Blutserum zu kommen, das kann selbst beim Inhalieren bereits Tage dauern.
Cannabinoide und auch deren Abbauprodukte sind fettlöslich und reichern sich im menschlichen Fettgewebe an. Hier werden sie langsam wieder abgegeben, damit ist die Abbaukurve von THC nicht linear. Wenn noch ein Restwert im Blut vorhanden ist, dann wird es langsamer abgegeben oder sogar im Fettgewebe eingelagert. Aber wenn es im Blut weniger wird, gibt das Fettgewebe seine Cannabinoide wieder ab. Wer ständig Marihuana raucht, hat über Tage aktives Delta-9-THC im Blut und über Wochen, oder sogar Monate das Abbauprodukt THC-COOH. Dieses ist das, worauf die Urintests oder Schnelltests anschlagen, womit es auf die Wache zur Blutkontrolle geht, da für das weitere Vorgehen der Wert vom aktiven THC sehr wichtig ist.
Beim THC-COOH wird eine Halbwertszeit von ca. 6 Tagen vermutet. Nach diesen sechs Tagen sind aber noch 50 % vom Ausgangswert im Blut. Je nach Situation reichen 75 bis 150 ng THC-COOH pro ml Blutserum, um von einem regelmäßigen Konsum auszugehen, womit mangelnde Fahrtauglichkeit unterstellt wird und der Führerschein eingezogen werden kann. Da einem dieser nur verliehen wurde, hat man kein Recht am eigenen Führerschein und muss teils hart darum kämpfen, ihn zurückzuerhalten.
Warum alles unberechenbar bleibt
Nun könnte man sagen, dass ein gelegentlicher Konsument nach zwei Tagen und ein Dauerstoner nach zwei Wochen wieder fahren kann. Das wird vielfach auch stimmen, aber nicht immer, da es bei jedem anders ist. Denn auch der Fettanteil ist bei jedem anders. Nicht nur das. Wer schon wieder im grünen Bereich ist und mal richtig Sport macht, der wird wieder positiv. Wer sich kaum bewegt und dann einmal so richtig, der löst viel von den eingelagerten Cannabinoiden, ohne davon high zu werden. Vom THC-COOH kann ohnehin niemand high werden, auch wenn eine medizinische Wirkung nicht ausgeschlossen werden kann.
Die Abbaukurve von THC bleibt also unberechenbar. Deswegen ist es so wichtig, dass nur der Wert vom aktiven Delta 9 THC im Körper für die Frage um die Fahreignung betrachtet wird. Und auch dann müssen die Grenzwerte angehoben werden. Eigentlich jeder Marihuana-Konsument müsste zusätzlich die Möglichkeit haben, auf eigene Kosten eine Prüfung zu absolvieren. Mit dieser könnten die allgemeinen Grenzwerte für jede Einzelperson weiter hoch gesetzt werden.
Beim Alkohol ist ein gewohnter Trinker genauso, oder in fast identischem Umfang in seiner Fahreignung eingeschränkt wie ein Gelegenheitstrinker. Beim Cannabis ist das anders, da ein Gelegenheitskonsument empfindlicher anschlägt und viele Dauerkonsumenten bei höheren Grenzwerten weiterhin sehr sicher fahren werden. Es müsste also die Möglichkeit zu einem individuellen Grenzwert geben.
Cannabis enthemmt im Übrigen nicht. Wer zu viel hatte, will gar nicht mehr Auto fahren oder fährt umso langsamer und vorsichtiger, womit bei einem Unfall eher mit Blech- als mit Personenschäden zu rechnen wäre. Beim Alkohol ist das leider gegenteilig. Dennoch soll sichergestellt werden, dass nur fahrtaugliche Personen im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge lenken. Es soll jedoch nicht der nüchtern fahrende Cannabiskonsument seinen Führerschein und damit seine Voraussetzung zum benachteiligten Alltagsleben verlieren.
Im Fall der Fälle
Wer doch einmal Probleme mit der Führerscheinstelle hat, der fragt am besten zuallererst bei der Grünen Hilfe nach, wie die sinnvollste Vorgehensweise lautet. Überlegtes Handeln hat schon viel Geld gespart und dennoch Führerscheine gerettet.