Wer Cannabis bereits in den letzten drei oder vier Jahrzehnten konsumiert hat, wird vermutlich in der Regel Gras oder Haschisch, welches einen mehr oder minder moderaten Wirkstoffgehalt hatte, per Joint oder in Form einer Pfeife, mit oder ohne Wasser, geraucht haben. Unter dem Begriff Wirkstoffgehalt wird der Konsument dabei in aller Regel einfach Tetrahydrocannabinol (THC) verstanden haben.
Unter Kiffern war Cannabidiol, also CBD bis vor einigen Jahren noch unbekannt. Auch hat damals kaum jemand Cannabis in einem Vaporizer verdampft oder als Dab zu sich genommen. Neben dem Rauchen, was absolut im Vordergrund stand, gab es vielleicht noch einige Leute, vielleicht Nichtraucher, die gelegentlich ihr Cannabis in Gebäck oder mit anderen Nahrungsmitteln verarbeitet hatten.
Die aktuellen Cannabis-Trends
Mit den neuen legalen Märkten, den wachsenden Technologien und Erkenntnissen, und auch mit der Verbreitung der medizinischen Verwendung von Cannabis, änderte sich einiges. Heute wird CBD-Cannabis mit dem Vaporizer verdampft, das Rauchen scheint mit dem wachsenden Gesundheitsbewusstsein in der Bevölkerung zunehmend unbeliebt zu werden, vor allem der Gebrauch von Tabak verliert an Attraktivität. Oft werden mittlerweile auch nicht mehr die Blüten als ganzes konsumiert, sondern es werden in mehr oder weniger aufwendigen Verfahren Extrakte und Konzentrate hergestellt, die dann in allen erdenklichen Konsumformen konsumiert werden können.
Und dann sind da noch die Edibles, Esswaren, meist Süßigkeiten, die die Cannabis-Wirkstoffe beinhalten, oder das Getränke Pendant, Cannabis-infused Softdrinks oder Spirituosen. Im deutschsprachigen Raum und in Europa generell, hat sich der zweite, bekannte Wirkstoff CBD zum Trend entwickelt und scheint sich inmitten der Gesellschaft zu etablieren. Das ist zum einen logisch, da CBD, anders als THC, legal und nicht psychoaktiv ist. Ferner hat CBD hervorragende, gesundheitsfördernde Eigenschaften, die die Substanz zum Verkaufsschlager der Wellness-Branche machen. Bei CBD ist auch das Rauchen nicht die meist-praktizierte Form der Einnahme, sondern eher die Verwendung von Ölen und Extrakten.
Terpene rücken ins Rampenlicht
Die nächsten Innovationen werden den Fokus der Cannabis-Industrie nun vielleicht ablenken von den zwei populären Wirkstoffen der Pflanze, sogar von der Substanz-Gruppe der Cannabinoide an sich. Denn aus verschiedenen Gründen könnten es dann die sogenannten Terpene sein, die im Mittelpunkt des Interesses an Cannabis stehen. Terpene sind aromatische, organische Verbindungen, die natürlich in der Hanfpflanze vorkommen, und sie beeinflussen den Geschmack und den Geruch von Cannabis unterschiedlich in den jeweiligen Sorten. Die Kombination der verschiedenen Terpene in unterschiedlicher Menge kann auch diverse biologische, medizinische Effekte haben, insbesondere wiederum in Verbindung mit den Cannabinoiden.
Die Forschung an Terpenen ist also für mehrere wissenschaftliche Disziplinen interessant, für die Lebensmittelindustrie, die Kosmetikbranche, natürlich die Recreational Marijuana Industrie, aber auch für die Medizin. Auch hierzulande berichten beispielsweise Cannabispatienten, die unterschiedliche Sorten probiert haben, dass selbst bei gleichen CBD- und THC-Anteilen in unterschiedlichen medizinischen Sorten, diese nicht die exakt gleiche Wirkung entfalten. Die eine macht eher munter, die andere etwas schläfrig, die Dritte wirkt eventuell mehr oder weniger stark auf die Krankheits-Symptome.
Terpene als Aroma-Komponente
Was die Aromen anbelangt, die vielen Geschmacksrichtungen, die durch Terpene bestimmt werden, so wird in der Lebensmitteltechnik schon länger damit experimentiert und gearbeitet. Die vorwiegend auf den legalen Märkten für Cannabis in den USA erhältlichen Edibles sind vermehrt auf gezielte Terpenprofile ausgerichtet, und auch als Geschmacksgeber bei Dabs, aber auch bei neuen Cannabis-Züchtungen selbst, spielen Terpene eine große Rolle. Wer kann sich schon daran erinnern, in den 90er-Jahren Cannabis mit Mango- oder Blaubeerengeschmack konsumiert zu haben?
Mark Lewis, Gründer und Präsident von NaPro Research in Kalifornien beschreibt dies als eine der Musik ähnelnde Synergie, mit der man in der Züchtung und Herstellung von Cannabis arbeiten kann. Er vergleicht ein einzelnes Terpen oder ein einzelnes Cannabinoid mit einer Note. Wenn alles zusammenpasst, ist es ein Akkord. Was Lewis hier mit einem musikalischen Akkord vergleicht, nennt man auch den Entourage-Effekt, dieser betrifft sowohl pharmakologische Wirkungen als auch Geschmacks- und Aromakompositionen.
Der Entourage-Effekt in der Medizin
Der Entourage-Effekt wird zunehmend wissenschaftlich erforscht und war bereits Gegenstand einiger Diskussionen, wenn es um die Frage ging, ob die medizinische Anwendung von Cannabis in Form von Blüten sinnvoll ist, oder ob grundsätzlich nur isolierte Einzelwirkstoffe verabreicht werden sollen. Verfechter chemischer Präparate bezeichneten den Einsatz von Blüten als Steinzeitmedizin, doch mittlerweile interessiert sich auch die Krebsforschung für das Zusammenspiel der wirksamen Komponenten in Cannabis. Immer mehr Patienten, aber auch Konsumenten von Freizeit-Cannabis, interessieren sich für die Cannabinoid- und Terpenprofile in Cannabis-Produkten.
Denn sie bereichern sowohl die Geschmackswelt, als auch die Wirkungsvielfalt, und somit das ganze Potenzial der Cannabispflanze. Die detaillierte Erforschung der vielen Kombinationen von Cannabinoid- und Terpenprofilen in den Hanfsorten könnte ein Schlüssel für zielgerichtete und präzise Behandlungen zahlreicher, teils schwerer Erkrankungen sein. Wenn man das komplexe Zusammenspiel der Substanzen eines Tages verstanden hat, und es kontrolliert einsetzen kann, wer weiß, welche medizinischen Möglichkeiten sich eröffnen?