Hanfsuppe, Hanfkuchen, Hanfkäse, Hanf gebraten und Hanf gebacken – man kann es sich nach den langen Jahrzehnten der Anti-Cannabis-Hysterie kaum noch vorstellen, aber Hanf war einst auch bei uns ein ganz normales Lebensmittel. Das belegen zwei alte Kochbücher aus Wien und Innsbruck.
Hanf – Novel Food oder traditionelles Nahrungsmittel?
Immer mehr Unternehmen, die CBD-Produkte vermarkten, einerseits, Razzien und Beschlagnahmungen in Hanf- und CBD-Shops andererseits – die rechtliche Situation rund um CBD ist alles andere als eindeutig. Im Mittelpunkt der Auseinandersetzung steht unter anderem die Frage, ob Cannabinoide generell als Novel Food, als neuartige Lebensmittel einzustufen und damit genehmigungspflichtig sind oder nicht.
Die EU beharrt darauf, dass die Teile der Hanfpflanze, die CBD und andere Cannabinoide beinhalten, – also alles außer den Samen – in Europa niemals in nennenswertem Umfang als Nahrungsmittel genutzt wurden. Daher, so die EU, sind CBD-Produkte als Novel Food einzustufen und dürfen nicht verkauft werden, wenn sie nicht vorher ein teures und langwieriges Genehmigungsverfahren durchlaufen haben.
Die European Industrial Hemp Association (EIHA), der Branchenverband der europäischen Hanfindustrie, vertritt im Gegensatz dazu den Standpunkt, dass Hanf sehr wohl als Lebensmittel verwendet wurde, und damit auch Cannabinoide und alle anderen Inhaltsstoffe. Dabei beruft sich die EIHA unter anderem auf historische Rezeptsammlungen aus Italien.
Rezepte für verschiedene Hanfgerichte in zwei österreichischen Kochbüchern des 14. und 15. Jahrhunderts machen deutlich, dass Hanf einst auch im deutschsprachigen Mitteleuropa auf dem Speisezettel stand, und zwar die ganze Pflanze.
Kochbuch des Klosters St. Dorothea in Wien
Diese Handschrift präsentiert eine Sammlung von Rezepten aus dem 14. und 15. Jahrhundert. Einst im Besitz des Klosters „sand Dorothe zu Wienn“, wird dieses Kochbuch heute in der Österreichischen Nationalbibliothek aufbewahrt. Zwischen allerlei Suppen, Eierspeisen und Fischgerichten finden sich hier auch verschiedene Hanf-Zubereitungen.
„Ein hanif schotten“ – Ein süßer Hanf-Topfen: Nimm rohen Hanf und stoße ihn klein und wasche ihn und siebe ihn zweimal durch ein Tuch, so wird er sauber, und koche ihn dann und nimm den Topfen (quarkähnliche Masse) heraus. Nimm einen kleinen Topf mit Öl und gib den Topfen hinein und nimm 4 oder 5 Äpfel und schneide sie in kleine Schnitze und röste sie in dem Öl und gib sie auf den Topfen und tue Zucker darauf.
„Ein hanifmues“ – Ein Hanfmus: Nimm gekochten Hanf und stoße ihn klein und nimm Weißbrot und siebe den Hanf und das Brot durch ein schönes Tuch und schmecke es mit Gewürzen ab.
„Ein hanifsuppem“ – Eine Hanfsuppe: Ebenso kannst du aus Hanfmus eine gute Suppe machen. Diese soll man mit Wein durchsieben, so wird es eine gute Suppe. Und nimm gedämpftes Brot und einen Apfel und eine Zwiebel, hacke alles klein und röste es in dem Öl und tu es dazu.
„Ein kese von hanif“ – Ein Käse aus Hanf: Nimm rohen Hanf und zerstoße ihn und siebe ihn zwei- oder dreimal mit gekochtem Wasser durch und gib ein Lot Hausenblause (Verdickungsmittel aus der Schwimmblase des Störs) dazu und ½ (Lot) Mandeln in eine süße Milch. So machst du einen Hanfkäse. Und garniere ihn, womit du willst, und versalze ihn nicht.
Innsbrucker Rezeptbuch
Diese im 15. Jahrhundert entstandene Handschrift, einst im Besitz Maximilians I., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches 1508–1519, versammelt Texte zu Medizin und Kochkunst. Darunter sind auch einige Hanf-Rezepte.
„Wildu machen ein hamff suppen …“ – Willst du eine Hanfsuppe machen, so nimm rohen Hanf und zerstoße ihn und drücke ihn durch ein Sieb, und wenn du willst, so koche ihn dann in einer Pfanne oder bringe ihn zum Gerinnen und mache aus dem Topfen ein Mus und würze es und gib auch Honig dazu, und lass es weiß und mache es so dick wie einen Brei.
„Wildu in pressen, den hamff …“ – willst du den Hanf pressen, so mache wie oben beschrieben und presse ihn dann und reiche ihn geschnitten und tue ein süßes Gewürzpulver darauf. Das ist gut.
„Wildu gern, so pach in …“ – wenn du gern willst, backe den Hanf wie die gepresste Milch (Rezept weiter vorn im Buch). Wenn man aber nicht Schmalz essen will, so ist er gesüßt besser, oder du machst ihn in einer Pfefferbrühe oder in einer Soße.
„Wildu in praten …“ – willst du den Hanfbraten, kannst du das auch gern tun. Wenn man Schmalz isst am Samstag, so magst du ihn genauso geben und abmachen wie die gepresste Milch.
„Wildu ein chuechen dar aus machen …“ – willst du einen Kuchen daraus machen, so mache ihn wie einen Brei und drücke ihn durch ein Sieb und lasse ihn dann in einem Mörser backen.
Hanf ist kein Novel Food!
All diese Rezepte haben eines gemeinsam, und das macht sie durch die Frage, ob CBD als Novel Food einzustufen ist, besonders interessant. Hier wird die gesamte Hanfpflanze inklusive aller natürlicherweise vorkommenden Inhaltsstoffe verarbeitet, also selbstverständlich auch sämtlicher in Cannabis sativa vorkommenden Cannabinoide und Terpene. So sind diese Rezepte ein weiterer Beleg dafür, dass Hanf alles andere als Novel Food ist.
Quellen
Doris Aichholzer: „Wildu machen ayn guet essen …“, Bern 1999