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Bereits in den Siebzigern haben Cheech und Chong den Grundstein für eine Vielzahl an Kiffer-Klischees gelegt. Auch wenn meine Generation nicht mehr mit diesen beiden aufgewachsen ist, waren sie doch eine Inspiration für alles, was danach kam. Glücklicherweise haben das Kiffen und auch der illegale Anbau in den meisten Komödien einen verdient harmlosen Ruf.
Lachanfälle, langsame Bewegungen, Gespräche über die Rätsel des Universums und viele weitere immer wieder auftauchende Szenen während den High-Zuständen der Filmpersonen gibt es zur Genüge. Und da die Filmindustrie in den meisten Fällen nicht mehr mit ihren kiffenden Charakteren anzufangen weiß, wirken die Darstellungen von Kiffern zunehmend klischeebehaftet und mittlerweile auch ziemlich durchgenudelt.
Wo die Alufolie-Päckchen auf Pizzas, die paranoiden Anfälle und die angestarrten Hände herkommen, gibt es aber noch viele absurde Begebenheiten, die nur darauf warten endlich in den Olymp der Kiffer- und Grower-Klischees aufgenommen zu werden.
Mein Freund und ich sind nun seit über drei Jahren ein Paar. Während zu Beginn unserer Beziehung meine Kiffererfahrungen noch auf sehr vereinzelten Momenten vor dem heimischen Jugendclub basierten, kann ich mittlerweile vermutlich mehr Skurrilitäten vorweisen als meine Kiffer-Freunde von damals. Der Anbau war von Anfang an kein Geheimnis und bis auf ein paar wenige Momente, wo ich vor der Zimmertür stand und mir überlegte, was für ein schönes Wohnzimmer daraus werden könnte, störte ich mich auch nicht daran. Dennoch ergaben sich über die Jahre doch einige Szenen, teilweise häufig, teilweise selten, die wahrscheinlich nicht viele meiner Freundinnen mit ihrem Partner erleben.
1. Das Gras verfolgt mich
Kiffen im Zimmer gehört nun mal dazu. Da ich selbst immer in meiner Wohnung geraucht habe und auch in einem Raucherhaushalt aufgewachsen bin, waren Fragen nach dem Geruch meiner Kleidung nie etwas Unbekanntes für mich. Natürlich hat meine Mutter nicht in meinem Kleiderschrank geraucht, aber als ich dann selbst anfing und die ersten Kippen in meinem Kinderzimmer rauchte, blieben natürlich auch meine Kleider von dem Geruch nicht mehr verschont. Aber Gras riecht nun mal anders und das fiel nicht nur mir auf, sondern auch den Menschen in der Bahn oder in der Uni. Selbst wenn ich mich am Abend vorher zurückgehalten habe, blieben die Düfte der Kifferbude natürlich auch an mir hängen. Und nicht nur die Düfte. Socken mit Weedblättern behaftet und Buchseiten zwischen denen sich kleine Buds geschummelt hatten, waren plötzlich keine Seltenheit mehr. Ich lief durch die Gegend und kam mir selbst vor wie ein Teil der heimischen Grasplantage.
2. Das regelmäßig Bestaunen des Pflanzenwachstums
„Schau mal was für Dinger“, „Fass mal an. Wie schön das klebt und dann riech‘ mal an deinem Finger“, „Siehst du, das ist die Abgekackte“. Eigentlich möchte man endlich mit dem Kochen anfangen oder ins Bett gehen, aber ein Besuch am Zelt muss jetzt gerade noch sein. Die Lampen blenden mitten in die Fresse und noch für kurze Zeit danach ist man halb erblindet. Aber wer im Nachhinein auch mal am Joint ziehen will, muss auch die Entwicklung zu schätzen wissen. Man denkt, dass anschließend die Tür vom „Zimmerchen“ zugeht und dann hat man seine Ruhe. Dem ist nicht so. Denn neben den bereits klebenden ein Meter hohen Pflanzen gibt es auch noch „die Kleinen“. Diese dürfen nämlich noch bei Mama und Papa im Zimmer schlafen.
Die surrende Zeitschaltuhr wird mittlerweile nachts mit einem alten T-Shirt umwickelt, um den Schlaf nicht mit ihrer konstanten Geräuscherzeugung zu stören, immerhin. Aber auch das war ein langer Weg. Allerdings wissen die Kinder aber auch nichts von den elterlichen Tages- und Nachtzeiten und so macht es manchmal mitten in der Nacht „Blink“ und aus dem offenen Kleiderschrank strahlt ein heller Schimmer, der den ganzen Raum mit gedämpftem Licht erhellt. Für Menschen mit einem leichten Schlaf wie meinem ist das die Hölle. Aufrecht im Bett sitzend, schubse ich den Pflanzen-Papa an, der dann schlafwandelnd die Schranktür schließt und mit einem weiteren T-Shirt verdichtet. Aber wach ist bei mir dann auch erst mal wach.
3. Besuch ist nicht gleich Besuch
Wenn ich Besuch bekomme, bedeutet das normalerweise, dass ich mich auf diesen eingestellt habe und auch freue. Bei dem Besuch geht es dabei allein darum, mich mit meinem Gegenüber auszutauschen und dessen Anwesenheit zu genießen. Bei meinem Freund musste ich lernen, dass es auch andere Arten von Besuch gibt. Die Mittvierziger Tante mit dem besiegtem Krebs, aber der nun unbesiegten Cannabis-Sucht. Der Typ, den jeder komisch findet und für den „nur kurz vorbeischauen“ eine zweistündige Youtube-Verschwörungsdoku-Session bedeutet. Der Freund eines Kommilitonen, der sich mit seinen Kumpels einen lustigen Abend machen will und vermutlich noch bis nächstes Jahr an seinem Fünfziger zu nuckeln hat.
Und natürlich die lieben Freunde, die sich selbst nach Jahren ihr Zeug so einteilen, dass sie täglich mit dem 20-Euro-Schein in der Tasche reinschneien. Genauso wie die Freunde, die noch zu Hause wohnen und ihr Kiffer-Zimmer in jemand anderes Wohnung verlegt haben. „XY kommt gleich noch.“, „Ja, der bleibt nicht lange“. Dabei ist die ausgemachte Uhrzeit meist nicht ausschlaggebend und die spontanen Schäferstündchen innerhalb der Partnerschaft des rosigen Anfangs mussten sich bald aus logistischen Gründen verabschieden. „Wie schon wieder? Ihr wusstet doch, dass ich komme.“ Besuch bedeutet für mich mittlerweile auch, dass die eigene Wohnung kein ausschließlicher Raum für Privatsphäre oder Zweisamkeit ist. Man kann sich seine Kiffer-Familie eben nicht aussuchen. Dennoch gibt es natürlich auch immer wieder Mitglieder, über die man sich freut und die mehr als dieses eine Gesprächsthema zu bieten haben.
4. Der aus versehene Keks und seine Folgen
Dies ist eine einmalige Begebenheit. Es gab da mal einen Tag, da backte mein Freund Kekse. Einfach so. Kein zelebriertes Party-Backen mit Spaß und Freunden, sondern mit einer seit zwei Monaten abgelaufenen Backmischung abends um kurz vor Mitternacht. Ich lag schon im Bett, als er sich noch ein paar der viel zu harten Kekse reinpfiff. „Da ist sowieso fast nichts drin. Da merkt man wahrscheinlich gar nichts“. Das ganze Szenario spielte sich ab als ich schon halb schlief. Ich weiß nicht, ob es die Aussage über die geringe Menge war oder ob ich einfach nicht richtig mitbekommen hatte, was für Kekse es waren, als ich mir morgens zum Frühstück zwei davon genehmigte. Ich wollte zum Lernen in die Uni fahren und da ich zu dieser Zeit oft an morgendlicher Übelkeit litt, musste ich irgendetwas essen, bevor ich das Haus verließ. Mein Bus kam in etwa eine Stunde danach.
Nach etwa zehn Minuten Busreise fing ich an, mich schummerig zu fühlen. Irgendwie drückte es mir auf die Augen und die Farben wirkten so unnatürlich. Erst dann fiel mir die Situation vom Vorabend wieder ein. Als Erstes rief ich meinen Freund an. „Ich habe zwei Kekse gegessen. Eben gerade“. Von der anderen Seite der Leitung nur Gelächter und: „Da war doch fast nichts drin“. Ändern konnte ich jetzt sowieso nichts mehr, also fuhr ich in die Uni. Im Gegensatz zu meinem Freund, der darauf schwört stoned erst richtig in den Workflow zu kommen, liege ich am liebsten auf der Couch und schaue Filme. In der Bib brauchte ich dann erst mal eine Stunde, bevor ich mit dem Lernen anfing. Ich war einfach nur heilfroh an diesem Tag zum Lernen mit niemandem verabredet gewesen zu sein.
5. Auch ein Grower muss mal Einkaufen
Nach der Erntezeit ist vor der Erntezeit, aber kurz vor der Erntezeit ist alles anders. Man betritt die Wohnung und die Stimmung ist irgendwie eine andere. Die Tupperdosen türmen sich nicht mehr wie gewohnt vollgepackt in der Ecke und das Leben in Saus und Braus ist für ein paar Wochen eingestellt. Es kommt kaum noch jemand vorbei und wenn dann merkt man auch den Besuchern eine Veränderung an. Alles, was hier konsumiert und weitergereicht wird, ist nur Mittel zum Zweck und hat nur noch wenig mit Genuss zu tun. „Das ist das Zeug von XY. Mäh. Vielleicht sogar gestreckt. Die drei anderen Sorten konnte er direkt wieder einpacken.“ In diesen Wochen ist der Freund, der sonst die meiste Zeit daheim verbringt, oft aus dem Haus. Hektik, Aufregung und Stress dominieren, die gewohnte Entspanntheit ist wie verflogen. Dann sehne selbst ich mich nach den Blattschnipseln auf dem Tisch und weiß, dass jetzt alles wieder gut wird.
6. Das geliebte Chaos
„Ich lass‘ alles liegen, du lässt alles liegen. Gott, wie aufgeräumt“. O. K., Punkt 6 ist schon im Klischee-Olymp angekommen und vermutlich auch ein Männerproblem im Allgemeinen (Ausnahmen bestätigen die Regel). Als Vollzeit-Kiffer zu leben, zumindest wenn die Freundin selbst keine ist, kann beizeiten den Verdacht wecken, dass es sich um einen ewigen Junggesellen handelt. Gesaugt wird größtenteils nur mit Aufforderung, Staub gewischt eigentlich nie, genauso wenig wie geputzt. Der schmutzige Teller vom Vortag dient als Bauunterlage, wenn denn mal eine benutzt wird. Ansonsten verharzen die Krümel auf dem Schreibtisch und werden eins mit ihm.
Da ständig Besuch ein und ausgeht, ist der Teppich größtenteils schon ein paar Stunden nach der Säuberung wieder so schmutzig wie vorher. Auch wenn in der Küche bezüglich Kochen nur das Nötigste getan wird, türmt sich das Geschirr und die Soßenspritzer auf dem Herd erstrahlen in allen denkbaren Farben. Eine Kifferbude ist eine Junggesellenbude und manch eine Frau hätte wahrscheinlich allein wegen der Wohnungssituation schon nach wenigen Monaten das Weite gesucht. Aber manche Dinge sind nun mal mehr wert als eine schmutzige Wohnung.
7. Die unterschiedlichen Schnorrer-Typen
Es gibt sie in allen Größen, Geschlechtern, Formen und Farben: Die Schnorrer. Kaum eine Bevölkerungsgruppe scheint in der (Party – ?) Gesellschaft so vertreten. Dabei kann ihre Vorgehensweise ganz unterschiedlich aussehen. Das scheue Reh pirscht sich an und nimmt all seinen Mut zusammen für ein Schultertippen: „Dürfte ich mal am Joint kiffen?“ (Originalzitat). Das Chamäleon sucht sich unbemerkt ein Plätzchen in der Runde und wenn es Glück hat, bekommt es einfach so den Joint weitergereicht. Der freundliche Labrador kennt den großzügigen Spender schon und schwänzelt mit einem bellenden „Ich kenn‘ dich, ich kenn‘ dich, ich kenn‘ dich!“ um ihn herum. Der Labrador kann zwar nervig und etwas aufdringlich sein, aber er ist der Einzige, der normalerweise als halbwegs sicherer Käufer gilt. Die Wespe kommt schon angeflogen, wenn sie nur von Weitem dein süßliches Aroma erahnen kann.
Die Wespe kann ein Freund sein, kann auch ab und an etwas kaufen, dann lässt sie dich aber nicht mitrauchen: „Für deine Verhältnisse ist da jetzt sowieso zu viel Tabak drin“. Und das stimmt dann meistens auch. Wenn sie etwas kauft, wünscht sie sich am liebsten noch Rabatt. Sie ist einfach dreist, nimmt sich von dir, was sie benötigt und macht sich dann wieder vom Acker. Hast du gerade keinen Joint in der Hand, kann es sogar passieren, dass sie dich zum Bauen auffordert. Jeder, dem eine Wespe begegnet, sollte wild um sich herumschlagen und „WEG! WEG! WEG!“ schreien. Sonst hilft da gar nichts. Zu guter Letzt: die Katze. Mal schleicht sie um dich herum und betört dich „Darf ich ein Zügchen?“. An anderen Tagen ist sie kratzbürstig und sagt dir, dass du endlich weniger kiffen sollst. Das kann dann zwei Stunden später aber schon wieder umgeschlagen sein. Sie ist nervig, aber auch schmeichelhaft. Irgendwie arrangiert ihr euch, denn sie schläft am liebsten neben dir im Bett und schnurrt dich in den Schlaf.