Obwohl Deutschland sich noch mehrere Monate gedulden muss, bis eine hoffentlich erfolgreiche Reform der Cannabispolitik greifen wird, nehmen sich die für das Gesetz Verantwortlichen der Bundesregierung gern als Pioniere in diesem Bereich wahr. Neben der Tatsache, dass die Tschechische Republik einen konsequenten Legalisierungskurs fahren und Veränderungen in Europa forcieren will, gibt es mit Portugal, Malta und Spanien Beispiele in der Europäischen Union für bereits realisierte Lösungen.
In der Schweiz ist Cannabis bisher nicht legal, doch Konsumdelikte werden nicht strafrechtlich verfolgt. Außerdem haben in verschiedenen Regionen Pilotprojekte begonnen, die die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Konsumenten erproben sollen. Ähnliche Projekte will die deutsche Bundesregierung in der zweiten Säule ihres politischen Reformkurses ermöglichen.
Da wir davon ausgehen können, dass Modellprojekte einen ähnlichen gesetzlichen Rahmen haben könnten wie die Schweizer Pilotprojekte, lohnt sich für Unternehmen, Politiker und Konsumenten ein Blick zu den Nachbarn, um einen Eindruck von der möglichen Zukunft zu bekommen.
Weed Care (Basel)
Das erste Modellprojekt für die kontrollierte Abgabe von Cannabis in Europa wird in Basel-Stadt durchgeführt. Nun ist es in die zweite Phase eingetreten. In den ersten sechs Monaten der Studie, die bis Ende Juli 2025 laufen soll, hatten 180 Teilnehmer in Basel Zugang zu legalem Cannabis über neun lokale Apotheken. Jetzt hat sich die Teilnehmerzahl mehr als verdoppelt und ist auf 374 angestiegen. Die teilnehmenden Konsumenten können aus vier verschiedenen Cannabissorten mit unterschiedlichen Wirkstoffkonzentrationen wählen, außerdem steht ein Resin und ein Pollenprodukt zur Verfügung.
Entsprechend den Informationen, die das Gesundheitsdepartement Basel-Stadt zur Studie veröffentlicht hat, will man durch die unterschiedlichen Phasen auch Veränderungen im Konsumverhalten oder der Gesundheit zwischen den Teilnehmergruppen vergleichen können. Auch wenn die Teilnehmer den Beobachtungen zufolge die Produkte mit den höchsten THC-Konzentrationen bevorzugen, konnte im bisherigen Verlauf keine negativen Auswirkungen beobachtet werden. Im Januar 2024 soll ein Zwischenbericht über den Studienverlauf erscheinen, der detaillierte Informationen liefern soll.
Züri Can (Zürich)
Das Modellprojekt in Zürich ist um einiges umfangreicher als jenes in Basel. Die Studie soll „die Auswirkungen des Erwerbs ausgewählter Cannabisprodukte aus kontrolliertem Anbau unter regulierten Bedingungen“ untersuchen. Es sollen dabei auch verschiedene Beschaffungsmodelle verglichen werden. 2100 Teilnehmer wählen aus, ob sie Cannabis über einen Social Club, eine Apotheke oder eine Drogenberatungsstelle beziehen wollen.
Insgesamt wird es dann 21 Abgabestellen, zehn Social Clubs, zehn Apotheken und eine Drogenberatungseinrichtung geben. Die Studie wird zwar durch die Stadt Zürich finanziert. Nur die Social Clubs müssen gewissermaßen mit Realbedingungen umgehen und selbst wirtschaften und Spenden einnehmen.
SCRIPT (Luzern, Biel, Bern)
Eine weitere Modellstudie umfasst gleich drei Städte der Schweiz. Fast 1100 Teilnehmer aus diesen drei Städten nehmen daran teil, wobei manche sich weiterhin auf dem Schwarzmarkt mit Cannabisprodukten versorgen und andere kann Cannabis über Apotheken beziehen. So soll eine Möglichkeit für den Vergleich zwischen dem legalen Umgang mit Cannabis und dem Leben in der Illegalität geschaffen werden. Sollte alles planmäßig vonstattengehen, soll die SCRIPT Studie im November dieses Jahres anlaufen.
Weitere Pilotprojekte in Planung
Zwei weitere Städte planen gerade ihre Modellprojekte für die legale Abgabe von Cannabis an Konsumenten, Genf und Lausanne. Die Cannabisernte für beide Studien soll im Oktober durchgeführt werden und die Umsetzung noch im November oder Dezember 2023 beginnen. Während andere Länder sich nur zögerlich an die Reformierung ihrer Cannabisgesetze wagen, hatte die Schweiz schon in der Vergangenheit sehr pragmatische Entscheidungen getroffen. Sollte Deutschland die Entkriminalisierung von Cannabis in der aktuell bestehenden Fassung des Entwurfs beschließen, so ist das mit Sicherheit trotz aller Kritik an den Details ein Schritt in die richtige Richtung. Wenn es nicht jetzt innerhalb europäischer Grenzen bessere Konzepte gibt, so ist dies nur eine Frage von kurzer Zeit.