Mit der am 1. April in Kraft getretenen Teillegalisierung von Cannabis in Deutschland wird in erster Linie versucht, dem Schwarzmarkthandel ein Schnippchen zu schlagen und den Konsumenten etwas mehr Gesundheitsschutz zu gewährleisten. Die erste Säule des CanG bietet Cannabisfreunden schließlich die Option, in den eigenen vier Wänden bis zu drei potente Hanfpflanzen pro erwachsenem Bewohner zu züchten.
Ansonsten müssen an Cannabis interessierte Personen ab Juni Mitglied in Anbauvereinigungen werden, wo ihnen durch die Mitgliedschaft bis zu 50 Gramm des getrockneten Pflanzenmaterials dargereicht werden darf. Sobald ein gewisser Anteil der geschätzten 4,5 Millionen regelmäßig auf Cannabis zurückgreifenden Personen sich über diese Wege versorgen wird, werden die Einnahmen von illegal agierenden Dealern spürbar geschmälert.
In einem Gespräch mit der Deutschen Welle hat nun der an der Goethe-Universität arbeitende Diplom-Soziologe und Drogenforscher Bernd Werse seine Einstellung zur Teillegalisierung kund getan und dabei auch die vermutete Anzahl künftiger Selbstversorger genannt. Nach Umfrageergebnissen würden dank des Paradigmenwechsels in der Cannabispolitik sich circa zehn Prozent der Deutschen gerne als private Hanfbauern versuchen.
Ende der Stigmatisierung
Den größten Vorteil in dem jetzt tatsächlich Realität gewordenen „Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften“ – kurz CanG – sieht der wissenschaftliche Mitarbeiter und Mitbegründer des Centre for Drug Research Werse darin, dass nach Jahren der Strafverfolgung eine gehörige Anzahl von Menschen nicht länger stigmatisiert wird und der Strafverfolgung ausgesetzt ist. Dies wäre das „gewichtigste Argument“ des Gesetzes, so Dr. Bernd Werse auch gegenüber der Frankfurter Rundschau im Interview.
Da er aber auch erkennt, dass eine Gründung und eine fachgerechte Umsetzung der Vorhaben von Anbaubauvereinen sehr kompliziert gestaltet sind, setzt er auf die Wünsche von geschätzt zehn Prozent der Bevölkerung, künftig Cannabis selbst zu Hause produzieren zu wollen. Er wäre diesbezüglich sehr viel optimistischer als andere Stimmen, dass auf diesem Weg dem Schwarzmarkt ein großer Teil ihres bislang mit Exklusivrechten versehenen Kuchens weggenommen würde.
Dennoch ließe sich nicht davon ausgehen, dass der illegale Handel mit dem ersten Schritt des Gesetzes verschwinden werde. Gelegenheitskiffer würden wohl kaum damit anfangen, die Wohnung entsprechend umzubauen, um drei Pflanzen zu ziehen. Hier würde, wie schon in der Vergangenheit, in erste Linie der Bedarf durch Bekannte gedeckt werden. „Jeder kennt immer jemanden, der jemanden kennt, der etwas besorgen kann.
Daran wird sich wahrscheinlich wenig ändern“ so Werse im Gespräch. Falls Gelegenheitsnutzer dennoch Spaß am Anbau haben könnten, werden diese wohl auch ihre Ernte teilen, auch wenn dies verboten wäre. Doch das bekäme dann im „Normalfall“ auch niemand mit. In erster Linie bleibe die neue Gesetzgebung in jedem Fall sinnvoll, da der zuvor vom Verbot betroffene Teil der Bevölkerung nun nicht mehr in Angst leben müsse, Konsequenzen aufgrund des alternativen Konsummusters zu befürchten.
Jugendschutz und Polizeiarbeit
Auch wenn Kritiker in erster Linie immer wieder das Argument anbringen, dass Cannabis jetzt verharmlost werde und besonders Heranwachsende gefährden könne, so sieht Bernd Werse dies andernorts nicht geschehen. Erfahrungen aus dem Ausland würden davon zeugen, dass eine Legalisierung von Cannabis nicht zu einem Anstieg des Konsums unter Jugendlichen führe. Man dürfe dazu nicht vergessen, dass unter der Verbotspolitik insbesondere Jugendliche und junge Erwachsene am meisten konsumiert hätten.
Diese Herangehensweise hat also das Ziel verfehlt. Den beschrieben „regen Handel“ werde es zukünftig hier auch weiterhin geben. Doch neben einigen Jugendlichen, die es jetzt erst vielleicht probieren werden, sehen andere aufgrund der Legalität den Reiz des Verbotenen verloren und lassen erst recht die Finger davon. Das würden auch durchgeführte Befragungen untermauern. Die Polizei hat in jedem Fall jetzt mehr Zeit, sich um solche Dinge als volljährige Konsumenten zu kümmern, betont Werse. Während man dort zwar befürchtet, nun mit Mehrarbeit belastet zu sein, stellt der Drogenforscher klar, dass verantwortliche Nutzer von Marihuana sich wohl kaum vor Schulen stellen werden, um zu konsumieren.
Auch würden Wohnungen nicht mit Pflanzen voll gestellt werden. Wäre dem in Einzelfällen doch so, könne die Polizei (wie auch zuvor schon) aktiv werden. Es wäre „völlig übertrieben“, dass die Polizei sich vor eine Schule oder einen Spielplatz stellen müsse, um zu schauen, ob jemand kiffe. „Das Gegenteil sollte der Fall sein.“
Wie wichtig es sei, dass die Regierung sich auf die zweite Säule der Cannabislegalisierung konzentriert, betonte Dr. Bernd Werse ebenfalls im Interview mit der Deutschen Welle. Sollte man es verpassen, die geplanten und wissenschaftlich begleiteten Modellprojekte mit offenen Verkaufsstellen voranzubringen, könne es sehr schwierig werden, diese Projekte in der nächsten Legislaturperiode noch tatsächlich umzusetzen. Für einen Erfolg des CanG und ein Erreichen der gesteckten Ziele, darf dies nicht nur in Cannabiskreisen, aber trotz der Freude über die Entkriminalisierung von mehreren Millionen Menschen wirklich als besonders notwendig erachtet werden.