Wer auf Hanfprodukte steht und gerne europäische Städte bereist, kennt wahrscheinlich die autonome Freistadt Christiana im Herzen von Kopenhagen. Seit vielen Jahren tolerieren Politiker in der dänischen Kapitale den begrenzten Verkauf von Cannabis an Touristen wie Einheimische, haben jedoch mittlerweile von herumlungernden Gangs genauso den Kanal voll wie die eigentlichen Bewohner der lässigen Kommune.
Kriminelle Dealer sollen endlich raus aus dem bunten Viertel rund um die berühmte „Pusher-Street“, wo Besucher tolles Haschisch und exquisites Marihuana aus Eigenanbau bekommen. Zur Abschreckung von Kriminellen wurden jüngst die Eingänge zur berühmtesten Straße von Christiania gesperrt – ob die Hippies den Krieg gegen Rockerbanden und andere Verbrecher gewinnen können?
Ein Touristenmagnet für Hanfprodukte im Würgegriff von Dealern
Natürlich könnte der Staat Dänemark das Problem schnell lösen und einfach die überfällige Legalisierung von Cannabis durchführen, aber Regierungen in Skandinavien träumen bekanntlich von der sogenannten „drogenfreien Gesellschaft.“ Nicht zufällig kostet in Norwegen, Schweden und eben bei den Dänen das Bier deutlich mehr als im Rest von Europa und zum Hanf positioniert sich der sonst so liberale Gesetzgeber wie ein betont freundlicher Inquisitor während der peinlichen Befragung. Statt hundert Jahre Kohlegrube oder Genickschuss wie in China warten bei Cannabis als Strafsache im hohen Norden besonders viel Belehrung und den erhobenen Zeigefinger.
Ein ganzes Viertel voller Hippies leer prügeln und durch Spezialeinheiten räumen, das ist für Dänemark im 21. Jahrhundert selbst beim Hanf glücklicherweise keine Option mehr. Mit der ganzen Härte des Gesetzes organisiertes Verbrechen bekämpfen hingegen schon und so gibt es seit Langem immer wieder Razzien, Kontrollen, Verhaftungen rund um das Gebiet. Leider trifft der losgelassene Schlagstock dabei gerne mal die Falschen und Polizeibehörden üben sich in Sippenhaft gegen eigentlich völlig harmlose Leute.
Auf solche Übergriffe haben die Bewohner des Viertels verständlicherweise keine Lust und kritisieren gerne laut und deutlich, was nicht nur in Kopenhagen jeder Spatz von den Dächern pfeift: Cannabis per se ist kein Problem, falls es um halbwegs reguliertes Angebot wie eben auf der „Pusher-Street“ geht – vor die Zielscheibe von eifrigen Cops gehören daher keine friedlichen Aussteiger, sondern Banden und Gangs! Dänemarks Bevölkerung steht übrigens voll auf der Seite von Christiania und es würde wohl kaum einem Politiker einfallen, heute noch pauschal von den „faulen Kiffern“ zu reden wie derzeit unsere CSU beim Landtagswahlkampf in Bayern.
Gras rauchen bei den Hippies statt Profitgier und Kartellstrukturen
So lautet die Devise in der Freistadt, in der man um die einigermaßen faire Tolerierung von Cannabis als Genussmittel für freiheitsliebende, unabhängig denkende Menschen lange ringen musste. Für Dänemark im Ganzen bleiben Hanfprodukte jedoch illegal und es kann schon vorkommen, dass bei Angriffen durch Rocker und anderes Geschmeiß ein Notruf aus der Kommune durch die zuständige Polizei sehr behäbig bearbeitet wird. Gangs wollen den lokal gut funktionierenden, grauen Markt durch extra niedrige Preise, brutale Überfälle und Einschüchterung unbedingt zerstören. Weil auch in Skandinavien schlechte Nachrichten die besten Nachrichten sind, ähnelt die Kopenhagener Presse zum Thema dann häufig einem Frontbericht aus der Ukraine.
Immerhin ist das autonome Gebiet teilweise vom Wasser umgeben und die Bewohner können im Zweifelsfall sozusagen einfach die Tür abschließen. Ganze Straßen sperren hält Polizisten und Kriminelle für eine Weile genauso draußen wie geschlossene Grenzen ein Coronavirus, doch nur die Vertreter des Staates sind unter Umständen zu Verhandlungen und einer friedlichen Lösung bereit. Rocker mit großspurig bedruckter Lederweste und skrupellose Kartelle auf der Suche nach Profit durch Cannabis hingegen nie. Egal, was die Hippies an Vereinbarungen mit den Gangs auch versuchen – am nächsten Tag kommt kein einziger Dealer weniger angekrochen, um den neugierigen ausländischen Besuchern der Gemeinde das Geld aus der Tasche zu ziehen!
Plötzlich saßen aber immer mehr Dealer von außerhalb an der Theke und unterboten das lokale Cannabis Sortiment nicht einfach nur, sondern sorgten ganz gezielt für Angst und Schrecken unter den Farmern. Christiania selbst verkauft keine Produkte mit THC etwa für das Staatssäckel im Batikmuster, sondern gestattet lediglich den Handel auf seinem unabhängigen Gelände. Beim Verlassen der Gemeinde erinnern große Banner die Touristen mit liebevoller Ironie, dass man sich gleich wieder auf dem Staatsgebiet der Europäischen Union mit all ihrem Unrecht beim Hanf befindet.
Droht Christiania die Schließung der „Pusher Street“?
Die Stimmung ist gereizt, die Behörden von Kopenhagen und Dänemark sind gefordert, tun aber wie ihre Kollegen in Deutschland beim Thema Cannabis mal wieder genau das falsche. Seit gut fünf Jahrzehnten gibt es Christiania bereits, anfangs existierte der Staat zum Aussteigen nur als fixe Idee und wurde durch die Gründung in einer ehemaligen, leer stehenden Armeekaserne im Jahr 1971 schließlich real. Schnell vergrößerte sich das Gebiet im Stadtviertel Christianshaven und immer mehr Leute von außerhalb der „Grenzen“ kamen zum Hanf kaufen, egal ob nun als dänische Staatsbürger oder Touristen. Heute informiert jeder Reiseführer über Kopenhagen gleich nach der kleinen Meerjungfrau auch zur „Pusher-Street“ sehr ausführlich. Neben ihrer toleranten Bewertung für Cannabinoide folgen die Hippies noch anderen Gesetzen, sind aber weder religiös drauf wie Rastafari in der Karibik noch geldgierig wie eben das organisierte Verbrechen.
Auch hässlich, dreckig, heruntergekommen wie ein besetztes Haus in Berlin-Kreuzberg ist die Freistadt keinesfalls, sondern präsentiert sich vielmehr wie eine Art alternativer Trailerpark, mit Recht und Ordnung ohne Gängelei. Wie üblich wurde dergleichen von Staatsanwälten und konservativen Politikern zunächst verachtet und bekämpft, schließlich aber akzeptiert – ganz im Gegensatz zu Gangs als Gegnern ohne Regeln oder Moral! Kriminelle nutzen die Freiheit in Christiania schlicht aus, nisteten sich ein und drückten ihr brutales Gesetz der Straße ins Herz einer entspannten Kommune. Weil sie vom Staat Dänemark keine eigene Armee erlaubt bekommen und auch gar nichts mit solchen Dingen zu tun haben wollen, fordern die Bewohner in ihrer Verzweiflung jetzt sogar die Schließung ihrer so berühmten „Pusher-Street“ durch normalerweise ungeliebte Polizeieinheiten.
Probeweise stellte man kürzlich Container und Betonklötze vor die Eingänge der Straße mit den Cannabis Geschäften und würde zur Vertreibung der Kriminellen sogar ein Ende dieser faszinierenden Meile voller THC akzeptieren. Ihre Aktionen richten sich nicht pauschal gegen Besucher mit einer Vorliebe für Hanfprodukte, betont man in der Freistadt und wünscht sich den legalen Verkauf überall, in ganz Kopenhagen und Dänemark.
Steht am Ende vielleicht die erste Cannabisfreigabe in Skandinavien? Aktuell kann sich kein Hippiebauer mit Marihuana im Garten etwas dazuverdienen oder Vater Staat auch nur eine Krone Steuern direkt einnehmen. Statt Toleranz und Weitsicht regiert die Angst vor Verbrechern, denen nachweislich nur durch eine, umfassende Legalisierung beizukommen ist.
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