Im Kindesalter beschützen dich deine Eltern vor allerlei Unheil, jedenfalls sollte dies so sein. Ob dies nun ein Sturz aus großer Höhe ist, die Verletzung mit scharfen oder spitzen Gegenständen, oder auch alle möglichen giftigen oder anderweitig schädlichen Substanzen. Somit sind die Eltern auch diejenigen, die den frühesten und leichtesten Zugang zum Kind haben, um es über Drogen aufzuklären.
Dass diese Aufgabe einem Gesetz und einer staatlichen Institution zukommt, ist bei genauerem Überlegen eigentlich Unsinn. Die Eltern erklären dem Kind, dass man Kaffee erst trinken darf, wenn man älter ist, und man, unabhängig vom Alter, zum Beispiel keine Scheuermilch trinkt. Der Staat hingegen verbietet den Umgang mit einer Gruppe von Substanzen, die wir als Drogen bezeichnen, unabhängig davon, wie unterschiedlich diese Stoffe in ihren Eigenschaften oder Wirkungen sind. Vielleicht hätte man die eben erwähnte Scheuermilch ebenso in die Liste der verbotenen Drogen einordnen können, wenn sie bei Einnahme dafür geeignete Wirkeigenschaften zeigt.
Eigentlich aber wäre der Umkehrschluss die logische Option: Man legt die Erziehung über den Umgang mit allen möglichen Gegenständen und Substanzen einfach in die Hände, in die sie gehören, in die der Eltern. Bei Cannabis wurde dies mit Inkrafttreten des CanG zumindest teilweise erreicht.
Ist die Drogenaufklärung durch Polizeibeamte sinnvoll?
Selbstverständlich sind Eltern nicht allwissend und sie kennen sich nicht mit allen Giften, Gefahrstoffen und Drogen aus, soviel ist gewiss. Und darum ist es sicher gut und richtig, dass auch das Schulsystem sich seit Jahrzehnten der Aufklärung über solche Dinge annimmt, unabhängig von Fragen über die Legalität. Leider ist das bisherige schulische Konzept für Drogenaufklärung etwas problematisch. Manch einer erinnert sich vielleicht noch an die etwas seltsamen Präventionsveranstaltungen im Klassenzimmer, bei denen ein uniformierter Polizeibeamter den Kindern Schauergeschichten über das böse Cannabis erzählt, dessen Gebrauch eine sichere Eintrittskarte in eine Drogenkarriere mit einem schlimmen Ende bedeutet.
Ganz bizarr wird die Situation dann, wenn der Polizist die Frage an die Klasse richtet, wer denn schon einmal gekifft hat. Die Vorstellung, einem Beamten freiwillig zu erzählen, dass man sich mit dem Erwerb oder Besitz von Cannabis strafbar gemacht hat, ist schon ziemlich absurd, daher folgt auf die Frage üblicherweise eine andächtige Schweigeminute.
Strafverfolgung verhindert Inanspruchnahme von Hilfe bei Problemkonsum
Wir gehen kurz einen Moment davon aus, dass die präventive Aufklärung von Eltern oder der Schule in einem Fall nicht funktioniert hat und der Mensch sich in einer Situation befindet, in der die eigenen Konsummuster bereits problematische Züge angenommen haben. Freunde, Familie, Hobbys und Interessen werden vernachlässigt, vielleicht auch die Sauberkeit der Wohnung oder die persönliche Hygiene. Der Tagesablauf wird dominiert vom Cannabiskonsum oder der Beschaffung, andere Tätigkeiten, Ziele und Wünsche treten in den Hintergrund. Diesen Zustand kann man eventuell zeitweilig aufrechterhalten, zumindest so lange sich die Geldprobleme nicht drastisch bemerkbar machen.
Irgendwann kann die Situation kippen, zum Beispiel wenn es Ärger mit der Polizei gibt, man seinen Job oder die Wohnung verliert, oder wenn Partnerschaften und andere persönliche Bindungen leiden und in die Brüche gehen. Ausgehend von der gesetzlichen Lage vor der CanG-Reform hatten viele Menschen Zweifel, ob die Kontaktaufnahme zu einer Einrichtung der Suchthilfe nicht auch mit negativen Konsequenzen verbunden sein würde, schließlich war man ja ein Straftäter. Auch Beteuerungen über Schweigepflicht und das Vertrauensverhältnis zwischen dem Klienten und der Institution und den Mitarbeitern können diese Ängste nicht beseitigen.
Es lässt sich wohl kaum beziffern, wie viele Menschen sich in all den Jahren eher Hilfe gesucht hätten, wäre nicht die Illegalität gewesen. Nun jedoch können Ärzte, Therapeuten, Pädagogen und Sozialarbeiter diese neue Chance nutzen und mit ihren Klienten sachlich, fachlich und persönlich ins Gespräch gehen, ohne befürchten zu müssen, dass Ängste, Heimlichkeiten und Schweigen zu unüberwindbaren Hindernissen im Klienten-Suchthilfe-Verhältnis werden.
Cannabisprävention ohne die Barriere der Illegalität
Auch in der Aufklärung an Schulen und im privaten oder beruflichen Umfeld öffnet die Entkriminalisierung von Cannabis neue Türen. Kinder und Jugendliche können freier darüber sprechen, wenn sie bereits in Kontakt mit Cannabis gekommen sind. Zwar werden sich einige nach wie vor nicht äußern wollen, da sie mit Vorurteilen konfrontiert werden könnten, doch immerhin nicht mit Verurteilungen.
Mit der Legalität wurde eine Chance geschaffen, Cannabis Aufklärung realistischer und weniger Ideologie-geleitet zu gestalten, und in der Suchthilfe kann damit ein entspannterer Umgang mit Cannabis gefunden werden, der die Probleme sieht, ohne sie zu dramatisieren. Im Hinterkopf müssen wir dabei behalten, dass wir nun eine noch sehr junge Teilentkriminalisierung von Cannabis haben, die Jahrzehnte der Prohibition ablöst. Es wird noch einige Zeit bedürfen, bis die Gesellschaft die Veränderung akzeptiert und verinnerlicht hat, doch mit dem Ende der Prohibition ist der erste Schritt getan.