Was ändert das CanG am Alltag mit Medizinalcannabis?
Nach dem Meilenstein der Legalisierung von Cannabis als Medizin in Deutschland im März des Jahres 2017 hat sich das Leben vieler schwer kranker Menschen stark verändert, in den meisten Fällen zum Positiven. Dennoch machten schon nach kurzer Zeit auch etliche Meldungen über zahlreiche schwerwiegende Missstände die Runde, die den Patienten das Leben und insbesondere ihre medizinische Behandlung schwer machten.
Die Verfügbarkeit der pharmazeutischen Cannabisprodukte in den Apotheken war keineswegs gesichert, oft ließ sie sogar mehr als nur zu wünschen übrig. Auch waren viele Apotheken grundsätzlich nicht dazu bereit, Cannabis in ihr Sortiment aufzunehmen. Zudem wollten die Krankenkassen in vielen Fällen die Kosten für Therapien mit Medizinalcannabis nicht tragen und lehnten dementsprechend viele Anträge von Patienten ab. Und schließlich konnten viele Patienten keinen Arzt finden, der ihnen Cannabis verordnen wollte. Manche Probleme bestehen zwar nach wie vor, wie die Kostenübernahme durch die Krankenkassen, bei anderen aber hat sich in der Zwischenzeit viel getan. Spezialisierte Apotheken führen ein riesiges, beinahe unübersichtliches Angebot an medizinischen Cannabisprodukten, und auch einen Arzt zu finden, ist mittlerweile wesentlich einfacher geworden.
Die Gesetzesreform von 2017 hat das Leben vieler Patienten vielleicht nicht auf einen Schlag verändert, sondern eher mit der Zeit, dafür aber nachhaltig. Nun steht, so hoffen Millionen Konsumenten in Deutschland, die nächste Reform vor der Tür. Selbstverständlich wird dies das Leben vieler Cannabiskonsumenten beeinflussen, doch vielleicht auch das von Patienten, die Cannabis als Medizin nutzen.
CanG hat auch Auswirkungen für Patienten
Das Cannabisgesetz CanG ist ein Gesetz zur Entkriminalisierung von Cannabis als Genussmittel. Im Wesentlichen beinhaltet es die Legalisierung des Besitzes von Eigenbedarfsmengen, ebenso den Anbau weniger Pflanzen für den privaten Gebrauch. Ferner soll der Anbau auch gemeinschaftlich ermöglicht werden. Manche mögen das Modell gern nach spanischem Vorbild Cannabis Social Clubs nennen, auch wenn das Konsumverbot innerhalb der Vereinsräumlichkeiten daraus wohl eine wenig soziale Angelegenheit machen wird.
Wie dem auch sei, das CanG ist ein recreational Konzept, alles dreht sich dabei um den Umgang mit Cannabis als Genussmittel. Trotzdem werden mit hoher Wahrscheinlichkeit auch Cannabis nutzende Patienten direkt oder indirekt die Auswirkungen der Reform spüren können. Da das Thema Entkriminalisierung von Cannabis für uns bisher noch neu ist, können wir nicht von einem großen Erfahrungsschatz profitieren und uns kaum eine konkrete Vorstellung vom Einfluss des CanG in der Praxis machen. Der Blick rund um den Globus, die Erfahrungen anderer Nationen mit Liberalisierungen, aber auch einige logische Schlussfolgerungen lassen jedoch einige realistische Annahmen zu. Einige davon wollen wir im Folgenden zusammentragen und begründen.
Einfacherer Zugang zu Cannabismedikamenten
Ein sehr wichtiger Passus im Entwurf des CanG ist die Streichung von Cannabis aus dem deutschen Betäubungsmittelgesetz (BtMG). Dadurch wird nicht nur der Zugang zu Cannabisprodukten für den Freizeit-Konsumenten einfacher, sicherer und nicht zuletzt frei von strafrechtlichen Konsequenzen. Steht Cannabis erst einmal nicht mehr im Betäubungsmittelgesetz, so muss es auch nicht mehr über ein Betäubungsmittelrezept verordnet werden, sondern auf einer ganz gewöhnlichen Verschreibung so wie andere rezeptpflichtige Arzneien auch. Das bedeutet einerseits einen geringeren bürokratischen Aufwand für verschreibende Mediziner, andererseits vor allem auch weniger Hemmungen seitens der Ärzte, generell Cannabis zu verordnen.
Bessere Chancen für die Cannabisforschung
Wenn der Umgang mit Cannabis einmal legal möglich sein wird, wird dadurch langfristig auch die Cannabisforschung vorangetrieben werden. Die wachsende Akzeptanz der Gesellschaft wird die Förderung wissenschaftlicher Untersuchungen erleichtern und die Forscher und Institute werden leichter an Gelder für Cannabis-bezogene Studien kommen. Eine verbesserte Studienlage kann den medizinischen Einsatz von Cannabis in vielen Bereichen optimieren, was sich wiederum positiv auf die Qualität der Behandlung von Cannabispatienten auswirken kann. Eines Tages könnten Cannabissorten ganz gezielt nach Diagnose und Verfassung des Patienten ausgewählt werden.
Abbau der Stigmatisierung
Wenn Cannabis legal ist, kann es im öffentlichen Diskurs wesentlich offener thematisiert werden. Die Vorurteile gegen die Pflanze werden allmählich abgebaut und die Gesellschaft verliert die Scheu und lernt die Potenziale in den verschiedenen Lebensbereichen zu nutzen. Wenn die Berührungsängste allgemein nachlassen, können auch Patienten offener mit ihrer Cannabistherapie im persönlichen Umfeld umgehen, zum Beispiel im Kreis von Familie, Freunden, aber auch Arbeitgebern.
Steigende oder sinkende Patientenzahlen?
Gerade Menschen, die beruflich im Bereich medizinisches Cannabis tätig sind, stellen sich oft die Frage nach der Entwicklung der Patientenzahlen nach einer Entkriminalisierung von Cannabis als Genussmittel. Ohne groß nachzudenken, neigt man dazu, einen Rückgang zu erwarten, schon allein, da der Patient sich ja dann seine Medizin selbst anbauen kann. Erst bei näherer Überlegung fällt auf, dass dies keineswegs Versorgungssicherheit bedeuten würde, weder qualitativ noch quantitativ.
Allerdings spricht das eine oder andere Argument dafür, dass es nach Inkrafttreten des CanG einige neue Patienten geben könnte. Wie oben bereits erwähnt, wird der Zugang erleichtert, da Cannabis dann nicht mehr auf einem BtM-Rezept verordnet werden muss. Ein Cannabisrezept zu bekommen, wird vermutlich viel einfacher werden. Dadurch, aber auch durch die Reduzierung des Stigma, werden sich mehr Kranke trauen, ihren Arzt auf eine Behandlung mit medizinischen Cannabisprodukten anzusprechen. Cannabis als Medizin könnte tatsächlich auch eine Option für Menschen werden, die nicht selbst Eigenanbau betreiben, gleichzeitig aber auch nicht Mitglied in einer Anbauvereinigung werden wollen.
Am Ende muss es die Zeit zeigen
Die exakten zukünftigen Auswirkungen der Entkriminalisierung von Cannabis als Genussmittel durch das CanG für den einzelnen Patienten können trotz aller Ahnungen, Schlussfolgerungen und Spekulationen sehr stark voneinander abweichen, denn sie hängen von beinahe unzähligen Details und Faktoren ab. Natürlich könnte es regionale Unterschiede in der Umsetzung des Gesetzes geben oder in der Akzeptanz des Umfeldes.
Selbstverständlich können wir durch die Erfahrungen anderer Länder lernen, die Cannabis bereits entkriminalisiert oder umfassend legalisiert haben. Da sich die internationalen Liberalisierungskonzepte jedoch alle in ihren Details und ihren Voraussetzungen unterscheiden, müssen wir dann doch selbst Erfahrungen mit der eigenen bürokratisierten Entkriminalisierung machen, die hoffentlich nur eine Zwischenlösung darstellen soll auf dem Weg zu einer echten Legalisierung.