73 Nutzhanfsorten sind derzeit in der EU für den landwirtschaftlichen Anbau zugelassen – für Hanffasern, Samen und CBD-Produkte. Wir geben hier einen Einblick in die kontraproduktiven Regulierungen und stellen die Sorten vor, die am häufigsten in Deutschland angebaut werden.
Widerstandsfähige Fasern, reichhaltiges Öl, wirkungsvolle Medizin – Hanf war über viele Jahrtausende der Menschheitsgeschichte eine der am häufigsten angebauten Nutzpflanzen – bis die Prohibition im 20. Jahrhundert dem ein vorläufiges Ende bereitete. Die europäischen Länder haben den Anbau nicht-psychoaktiver Sorten unterschiedlich gehandhabt. Während es etwa in Frankreich nie ein Verbot von nützlichem Cannabis gegeben hat, ist der landwirtschaftliche Anbau von Nutzhanf in Deutschland erst 1996 wieder legalisiert worden. EU-weit gibt es für diesen Anbau äußerst strenge Auflagen.
So muss in Deutschland jeder Landwirt alle Nutzhanfflächen bei der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) anmelden – samt den verwendeten Hanfsorten. Weiterhin muss noch eine „Blühanmeldung“ erfolgen, wenn die Blüten so weit sind. Dann erscheint ein BLE-Vertreter auf dem Feld, entnimmt Proben und prüft diese auf ihren THC-Gehalt. Kein Blättchen darf dabei auf einen Wert von über 0,2 Prozent kommen. Ist die Prüfung bestanden, erfolgt eine Freigabe, und es darf geerntet werden. Nur zertifizierte Landwirte dürfen Nutzhanf anbauen, Privatpersonen dürfen keinerlei Cannabis anpflanzen – egal, wie wenig THC darin enthalten ist.
Welche Varianten für den Anbau in der EU verwendet werden dürfen, steht in der online einsehbaren Liste „Für Direktzahlungen 2021 in Betracht kommende Nutzhanfsorten“, die jedes Jahr im März aktualisiert wird. Der ausschlaggebende Maßstab ist dabei die THC-Obergrenze von 0,2 Prozent. Wenn eine Sorte bei der jährlichen Laborprüfung zweimal hintereinander diesen Wert überschreitet, erhält diese keine weitere Zulassung mehr. So stehen für 2021 etwa die Varianten Bialobrzeskie und Carmagnola auf der schwarzen Liste.
Diese Beschränkungen auf vorgegebene Sorten bedeuten neben den bürokratischen Komplikationen auch Schwierigkeiten auf dem Feld. Diplom-Agraringenieur Bernd Wortmann, Gründer der Agraringenieurgesellschaft Wortmann AIG und Mitglied im Nutzhanf-Netzwerk, hat bei der Auswahl von Sorten für seine Faserhanf-Felder regelmäßig Probleme durch die strenge Regulierung: „Die veränderlichen Wetterbedingungen erfordern es, flexibel bei der Auswahl zu sein. Seit 2015 haben wir mildere Winter und trockenere Sommer und versuchen, die Sortenwahl daran anzupassen. In 2021 mussten wir durch den kalten Frühjahrsbeginn später aussäen, was bedeutete, dass wir erst vier Wochen später als geplant – Anfang Oktober – ernten konnten und die Pflanzen auch dann noch unreif waren.“
Die vorgegebenen 72 Sorten der EU beinhalten viele süd- und südost-europäische Züchtungen, die in nördlicheren Regionen kaum reifen können. „Bei Getreide gibt es Hunderte anbauwürdige Sorten, da kann man sich die für seinen Standort beste Sorte aussuchen. Beim Hanf haben wir das nicht.“ Ganz neue Sorten zu entwickeln, deren Eigenschaften auf die veränderten Umweltbedingungen maßgeschneidert sind, lohne sich für die klein gehaltene „Nischenkultur“ zudem meist nicht.
Durch die erforderliche Registrierung durch das BLE lässt sich zuverlässig sagen, welche Sorten derzeit in Deutschland die Favoriten unter den Nutzhanf-Pflanzen sind. Vier Varianten nehmen demnach eine Fläche von mehr als 5.000 Hektar der insgesamt 6.450 Hektar gemeldeten Nutzhanf-Anbaufläche ein. Es handelt sich bei allen um Sativa-Unterarten.
Einzelne Werte, wie der CBD-Gehalt oder der Aussaatzeitpunkt können je nach Umwelt- und Anbaubedingungen variieren.
Finola
Die in Finnland gezüchtete Finola ist die erste Sorte, die von der EU und Kanada zum Anbau für die Gewinnung von Hanföl zugelassen wurde – und eine der beliebtesten. In Deutschland ist sie sogar die meistangebaute Nutzhanfsorte. Diese Sativa-Pflanze ist selbst blühend, diözisch, also zweihäusig, mit 50/50 männlichen und weiblichen Pflanzen. Eine optimale Aussaatzeit ist Ende Mai, Anfang Juni um den 50. Breitengrad und Anfang Mai um den 60. Breitengrad. Ihr Zyklus beträgt 100 bis 120 Tage. Sie hat eine geringe Wuchshöhe von ein bis zwei Meter – Landwirte schätzen dies in besonderem Maße, da sie die Pflanzen bequem mit dem Mähdrescher ernten können.
Finola-Samen haben einen hohen Anteil an Omega-3 und Omega-6-Fettsäuren, was sie hervorragend zur Ölproduktion eignet. Auch CBD kann aus dieser Sorte gewonnen werden. Der genaue Gehalt wird durchschnittlich mit etwa zwei Prozent angegeben, kann aber auch deutlich höher ausfallen.
Fedora 17
Fedora 17 hat ihren Ursprung in Frankreich, dem Land mit dem größten Nutzhanfanbau in Europa. Sie ist monözisch, also einhäusig, und hat einen vegetativen Zyklus von 120 bis 134 Tagen. Ihre volle Blüte erreicht die auf zentral- und nordeuropäische Verhältnisse gezüchtete Hanfsorte im August. Sie wird 2 bis 2,5 Meter hoch und liefert somit langes Stroh. Sie wird hauptsächlich für die Faserverarbeitung angebaut, ist aber sehr vielseitig verwendbar. Ihr Öl ist sehr nährstoffreich und gut im Geschmack. Dazu kann sie hohe CBD-Werte von bis zu zehn Prozent erreichen und wird daher auch für entsprechende Produkte immer häufiger eingesetzt.
Uso 31
Uso 31 ist eine monözische Sorte, die erstmals 1987 in der Ukraine entwickelt worden ist. Von dort aus hat sie den Weg auf viele europäische Felder gefunden. Sie kann bereits Mitte März ausgesät werden und hat einen Zyklus von 122 bis 127 Tagen. Weil sie entsprechend früh geerntet werden kann, sodass ausreichend Zeit für eine Winteraussaat auf dem Feld bleibt, ist die Sorte bei den Landwirten sehr beliebt. Die Pflanzen erreichen eine Höhe von 2 bis 2,5 Metern. Uso 31 gilt als beliebte Koppelnutzung-Sorte für Stroh und Samen. Der THC-Gehalt ist konstant niedrig, der Ölgehalt sehr hoch, was sie ideal für die Speiseölproduktion macht.
Earlina 8FC
Earlina 8FC ist die jüngste der beliebten Nutzhanfsorten. Während die anderen Varianten teilweise schon Jahrzehnte etabliert sind, wird diese aus Frankreich stammende Sorte erst seit etwa drei Jahren großflächig eingesetzt. Earlina 8FC gilt als sehr ertragreich, was die Samen angeht. Zudem hat sie auch einen brauchbaren CBD-Gehalt, der mit 2–3 Prozent angegeben wird. Es handelt sich hierbei um eine monözische Pflanze, die mit 1,5 bis 2 Metern vergleichsweise klein bleibt. Ihr vegetativer Zyklus beträgt 115 bis 120 Tage und sie ist idealerweise im August in voller Blüte.
Tiborszallasi
Tiborszallasi ist ein anschauliches Beispiel für eine Nutzhanfsorte, die zwar nicht in solchen Mengen wie die „großen“ vier Varianten angebaut wird, aber aufgrund des anhaltenden CBD-Trends auf einem guten Weg dahin ist. Sie hat nämlich gute Cannabidiol-Werte (2-3 Prozent) und kommt dabei auf eine stattliche Größe von bis zu 3,50 Metern, was reichhaltige Erträge – auch an Fasern – garantiert. Tiborszallasi ist diözisch und hat eine vegetative Phase von 140 Tagen.
Landwirte, die sich für den Nutzhanfanbau – egal ob für Hanfsamen oder Fasern – interessieren, können sich hierzu gerne mit dem Nutzhanf-Netzwerk unter nutzhanfnetzwerk.de in Verbindung setzen.