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Nachdem sich die Möglichkeit, den Urlaub in einem Land ohne staatlich verordnete Hanf-Paranoia zu verbringen, über lange Zeit auf die nahen Niederlande, und hier insbesondere auf die Hauptstadt Amsterdam beschränkte, hat sich die Situation mit der Legalisierung in Teilen der USA grundlegend geändert.
Wer neugierig ist und ein Leben ohne Cannabis-Prohibition erleben möchte, der kann in den USA reichlich neue Erfahrungen sammeln. Zumindest gilt das für die elf Bundesstaaten, in denen Cannabis in den vergangenen Jahren als Genussmittel legalisiert wurde. Mit Stand April 2020 sind das:
- Alaska
- Colorado
- Illinois
- Kalifornien
- Maine
- Massachusetts
- Michigan
- Nevada
- Oregon
- Vermont
- Washington
- Distrikt Washington D.C.
Consumption Lounges
Mit der Legalisierung in den einzelnen Bundesstaaten war Cannabis zwar theoretisch für Besucher im Alter ab 21 Jahren genauso zugänglich wie für Einheimische, bald aber kristallisierte sich ein anderes Problem heraus: Wo kann man sich das legal erworbene Genussmittel ebenso legal zu Gemüte führen? Da laut Gesetz der Konsum praktisch nur in den eigenen vier Wänden erlaubt war, waren Nicht-Einheimische naturgemäß weitestgehend davon ausgeschlossen. Inzwischen allerdings weichte sich diese strikte Haltung Schritt für Schritt auf. Nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Gründen, denn insbesondere der inneramerikanische Cannabis-Tourismus versprach von Beginn an kräftige Umsätze.
Ausgehend von Kalifornien breiteten sich in den letzten beiden Jahren sogenannte „Cannabis Consumption Lounges“ aus. Die erste solche Consumption Lounge war verbunden mit der Dispensary „Barbary Coast“ in San Francisco und öffnete zu Jahresbeginn 2018 ihre Pforten. Inzwischen gibt es in allen Bundesstaaten, in denen Cannabis for recreational use legal ist, entsprechende Möglichkeiten zum Vor-Ort-Konsum. Fachleute gehen davon aus, dass Consumption Lounges die nächste große Welle im Cannabis-Business sein werden.
Dabei unterscheiden sich die rechtlichen Rahmenbedingungen in den einzelnen Bundesstaaten zum Teil erheblich. So können in manchen Staaten Bars und Clubs zusätzlich zu ihrem gewohnten Geschäft eine Lizenz zum Cannabiskonsum beantragen, in anderen ist der Genuss von alkoholischen Getränken und Cannabis strikt getrennt. In manchen Bundesstaaten darf in geschlossenen Räumen Marihuana geraucht werden, in anderen müssen sich die Besucher auf Vapen oder Dabben beschränken. Im Einzelnen auf die unterschiedlichen Rahmenbedingungen einzugehen, würde den Rahmen dieses Artikels sprengen.
Dass sich der Genuss von Cannabis wunderbar kombinieren lässt mit gutem Essen, stellt seit Oktober 2019 das „Lowell Garden Café“ in Los Angeles unter Beweis, das Restaurant und Cannabis-Lounge unter einem Dach vereint. Hier bietet man dem Genießer einen Rund-um-Service, vom Marihuana-Kauf über die Möglichkeit des Konsums in verschiedensten Formen – inklusive des Erwerbes von Pre-Rolls, also vorgedrehten Joints, oder dem Rauchen mit einer vor Ort ausgeliehenen Pfeife oder Bong – bis zum feinen, auf die bevorzugte Marihuana-Sorte individuell abgestimmten mehrgängigen Menü.
Rundfahrten und Ausflüge
Selbstverständlich beschränkt sich das touristische Angebot nicht auf Räumlichkeiten, in denen man Cannabis konsumieren kann. Insbesondere in Colorado und Kalifornien, zwei Bundesstaaten, die von Haus aus von vielen Touristen besucht werden, gibt es zahlreiche Möglichkeiten, den Cannabis-Genuss mit anderer, „normaler“ Freizeitgestaltung zu kombinieren.
Sehr beliebt sind zum Beispiel geführte Ausflüge. Das Angebot reicht von zweistündigen Stadtrundfahrten bis zu mehrtägigen Überland-Touren. Erster Stopp bei solchen Fahrten ist meist eine der Dispensaries genannten Verkaufsstellen, wo sich die Teilnehmer mit ihrem Lieblings-Genussmittel eindecken können. Anschließend geht es je nach Motto der gewählten Tour weiter zu einer Cannabis-Farm – gerne mit Möglichkeit zum Selfie-Schießen vor Hanffeld-Hintergrund –, einer Destillerie, einer Craft-Brauerei oder auf ein Weingut. Speziell in Kalifornien sind solche „Wine and Weed“-Touren schwer angesagt. Wer nicht so viel von der Kombination Cannabis und Alkohol hält, kann auch einen Ausflug zu einer Süßigkeitenfabrik machen. Das Angebot in diesem Bereich ist ausgesprochen vielfältig, vornehmlich in den touristischen Zentren dürfte wirklich jeder ein Angebot finden, das seinen Interessen entgegenkommt.
Sicher ein außergewöhnliches Erlebnis ist die „Cannabis & Beyond Tour“ in Denver. Mit dem Party-Bus geht es zuerst zur Dispensary und dann weiter zur International Church of Cannabis. Hier erwartet die Teilnehmer eine psychedelische Lasershow, mit passender Musik und der Möglichkeit zur Meditation, angeleitet von einem echten „Elevationist“, wie sich die Mitglieder der International Church of Cannabis nennen.
Wer Gefallen an skurrilen Arten der Freizeitgestaltung findet, für den empfiehlt sich – natürlich, ist man versucht zu sagen – auch ein Besuch in Los Angeles. Hier bietet sich im Anschluss an eine Cannabis-Tour durch die südkalifornische Metropole die Gelegenheit zum Kiffen mit Tommy Chong, einer Hälfte des legendären Film-Komiker-Duos „Cheech and Chong“. Das Motto dabei: „Smoke in Style with a Cannabis Culture Icon“.
Einen Besuch wert ist – zumindest für die Freunde typisch amerikanischen Kitsches – sicher auch „Planet 13“ in Las Vegas, laut eigenem Bekunden „The Worlds Largest Dispensary“. Der Superstore beherbergt zusätzlich einen Marihuana-Themenpark mit Laser-Graffity Wall, auf der sich jeder Besucher verewigen kann, überdimensionalen Licht- und Wasserspielen sowie einer „Planeten-Show“ in den Verkaufsräumen, kurz: „An experience where customers are overwhelmed by the aesthetics“.
Kurse: Nichts, was es nicht gibt
Damit nicht genug, gibt es speziell in den großen Städten ein breit gefächertes Angebot an Kursen, die nach dem „21+-“ und „BYOC“-Prinzip funktionieren. Möchte man teilnehmen, muss man mindestens 21 Jahre alt sein, BYOC steht für „Bring Your Own Cannabis“. Selbstversorgung ist also angesagt, will man ausprobieren, wie es sich anfühlt, mit Gleichgesinnten Cannabis zu rauchen und zu malen, zu zeichnen, zu töpfern, zu kochen und zu backen, Yoga zu machen oder auch Karaoke zu singen.
Daneben gibt es auch Kurse mit höherem praktischen Mehrwert, etwa zur Herstellung von Haschisch oder Cannabis-Extrakten oder von mit Hanf angereicherten Kosmetika. Wer lernen will, seine eigene Glaspfeife zu blasen, und bereit ist, ein Wochenende seiner Zeit dafür zu opfern, findet ebenfalls entsprechende Angebote.
420-friendly Lodging
Wie ist es um Unterkünfte bestellt, in denen man seinen Hang zum Cannabis-Genuss ausleben kann? Marihuana-tolerante Wohngelegenheiten gibt es in allen Bundestaaten, in denen Cannabis als Genussmittel legalisiert wurde. Die Palette reicht dabei von Tiny Houses über Pensionen im Bed and Breakfast-Style („Bud and Breakfast“) bis zu gediegenen Hotels jeder beliebigen Preisklasse. Wer einen USA-Aufenthalt plant und eine passende Unterkunft sucht, muss nur „420-friendly lodging“ in die Suchmaschine eingeben und kann unter zahlreichen passenden Angeboten ganz nach persönlichem Geschmack und Geldbeutel seine Auswahl treffen. Leider gibt es aber einen Wermutstropfen dabei: Meist ist Rauchen in den Räumen nicht erlaubt, sondern nur Vapen oder Dabben. Die dazu nötigen Gerätschaften kann man sich meist bequem vor Ort ausleihen. Über eine Outdoor Smoking Area verfügen leider nur wenige Anbieter.
Pot Packages
Wer einfach nur ein paar Tage verbringen will, in denen sich alles um das Thema Cannabis dreht, aber selbst keine Lust zum Planen hat, findet natürlich auch passende Angebote. Unter dem Namen „Pot Packages“ werden verschiedenste mehrtägige Pauschal-Arrangements angepriesen. Solche Pot Packages erstrecken sich größtenteils über ein Wochenende, von Freitag bis Sonntag. Für die 420-friendly Abholung am Flughafen mit Abstecher in die nächste Verkaufsstelle ist dabei standardmäßig ebenso gesorgt wie für die Übernachtung im 420-friendly Hotel und die passenden 420-friendly Ausflüge oder Kurse.
Ferner gibt es auch Pot Packages für spezielle Zielgruppen. So gibt es zum Beispiel in Südkalifornien Wellness-Wochenenden der besonderen Art nur für Frauen. Neben Yoga, Massagen und Kursen zum Herstellen von hanfbasierten Kosmetika werben die Anbieter mit „unlimited cannabis in every form imaginable, including smoothies, body creams and vapes“.
Naturgenuss und Cannabis
Wem das alles einfach nur zu viel ist, wer beim Wandern oder Kanufahren die oft genug grandiose Natur genießen und dabei dem Cannabis-Genuss frönen will, dem sei Vorsicht ans Herz gelegt. Zwar gilt auch in den USA die alte Weisheit „Was der Ranger nicht weiß, macht ihn nicht heiß“, doch sollte man immer im Hinterkopf haben, dass in sämtlichen Nationalparks und National Forests Cannabiskonsum nach wie vor streng verboten und mit empfindlichen Strafen belegt ist. Das gilt auch in den Bundesstaaten, in denen Marihuana als Genussmittel legal ist!
Teilweise führt das zu wahrlich absurden Situationen. So unterstehen zum Beispiel in den Skigebieten von Colorado die Pisten meist Bundesrecht, inklusive kategorischen Cannabisverbot, die Skiorte dagegen der bundesstaatlichen Gesetzgebung, was heißt, dass Cannabis hier legal ist. Informationen, wo man seinen Vorlieben gefahrlos nachgehen kann und wo man es besser bleiben lässt, holt man wohl am besten vor Ort ein.
Schön für die Besucher, gut für die Wirtschaft
Wie man sieht, ist das Angebot für cannabisorientierte Besucher in den USA ausgesprochen vielfältig. Man mag manches für übertrieben halten, für skurril oder gar für komplett sinnlos – Tatsache ist, dass sich der US-amerikanische Cannabis-Tourismus in den wenigen Jahren seit Beginn der Legalisierung als Wirtschaftszweig fest etabliert hat. Das Gros der Besucher, die solche Angebote in Anspruch nehmen, kommt dabei aus benachbarten Bundesstaaten, in denen die Legalisierung noch auf sich warten lässt.
So ergab eine Untersuchung in Colorado schon im Jahr 2016, also zwei Jahre nach der Legalisierung, dass immerhin 15 Prozent aller Touristen, das entspricht 12 Millionen Menschen, cannabisbezogene Angebote in Anspruch genommen haben. Fünf Prozent gaben sogar an, dass dies der eigentliche Grund für ihre Reise gewesen wäre.
Eine ähnliche Entwicklung wäre wohl auch eine tolle Gelegenheit für die an den Folgen der Corona-Krise voraussichtlich noch lange leidende Tourismusbranche in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Leider aber steht dem bisher der rückwärtsgewandte, realitätsferne Starrsinn unserer Politiker entgegen. Lieber verpulvert man Milliarden von Steuergeldern für Hilfsprogramme, als dass man bereit wäre, die gewohnten Denkmuster einmal zu hinterfragen. Lieber beharrt man auf einer absurden Null-Toleranz-Politik gegenüber Hanf, als dass man eine Möglichkeit nutzen würde, die sozusagen auf der Straße liegt.