Der medizinische Nutzen von Cannabis wird in erster Linie auf die zwei vorherrschenden Cannabinoide, ∆9-Tetrahydrocannabiol (THC) und Cannabidiol (CBD) zurückgeführt. Beide Substanzen werden erfolgreich bei der medizinischen Behandlung von Symptomen eingesetzt, wie Übelkeit, Erbrechen, Muskelzuckungen hervorgerufen durch Multiple Sklerose und Epilepsie, HIV, Nozizeption, Glaukom, Spasmen, Schmerzen, Inflammation, Schlaflosigkeit, Asthma, Akne und Schuppenflechte.
Der Fokus in der medizinischen Anwendung von Cannabis liegt auf den unterschiedlichen Konzentrationen von THC und CBD. Wissenschaftler weisen immer wieder darauf hin, dass der therapeutische Nutzen auf dem Zusammenspiel der unterschiedlichen Inhaltsstoffe zu beruhen scheint. Dazu gehören nicht nur die über 100 Cannabinoide, sondern auch Terpene und Flavonoide. Die genauen Zusammenhänge zwischen therapeutischem Nutzen und der Zusammensetzung an sekundären Inhaltsstoffen wurde bislang nicht untersucht.
Der Anbau von Cannabis zur Herstellung von medizinischen Produkten wird in groß angelegten Anbauverfahren unter Verwendung von sehr viel Energie durchgeführt. In Regionen mit Anbauschwerpunkten, wie in Teilen Spaniens, kommt es in den umliegenden Dörfern und Städten zu Stromausfällen und Lichtflackern. In den USA wird der Energieverbrauch des Cannabisanbaus auf 1 % des gesamten Stromverbrauches der USA geschätzt. Diese hoch industrialisierten Anbauverfahren mit enormen ökologischen Lasten sind bisher nicht Bestandteil in den Überlegungen der politischen Entscheidungsträger. Der Goldrausch in der Cannabisindustrie ist groß und Produzenten sprießen wie Pilze aus dem Boden. Es gibt keine Qualitätskontrollen, keine „Best Practice“ Methoden (außer das GMP für die Arzneimittelherstellung) und keine Regularien. Für den Cannabisanbau müssen in Zukunft Anbausysteme entwickelt werden, die ressourcensparend qualitativ hochwertige Erzeugnisse liefern. Hier besteht enormer Forschungsbedarf. Im Juni 2017 haben wir die Genehmigung zur Forschung mit Cannabis sativa erhalten und testen verschiedene Parameter im Anbau von Cannabis mit definierten Qualitätskriterien. Unsere Pflanzen werden auf Steinwolle, Deep Water Culture oder Erde kultiviert.
Im letzten Jahr haben wir verschiedene Lichtquellen verglichen, die Effektivität von Sprühdüngern getestet und uns die Auswirkung verschiedener Dünger (herkömmliche Cannabisdünger v.s. Dünger aus Eigenproduktion) angesehen. Unsere ersten Ergebnisse haben gezeigt, dass die Lichtquelle einen starken Einfluss auf die Pflanzen zeigten (trotz gleicher Wattzahlen). Wachstum, als auch Ertrag der Pflanzen konnten nicht verbessert werden durch den Einsatz der verschiedenen Cannabisdünger im Vergleich zu unserem Standarddünger. Die Ergebnisse der Sprühdünger waren variabel und abhängig von der Verdünnung bzw. Menge an aktiver Substanz.
Lichtquantität und Lichtqualität
Pflanzen benötigen Licht (Energie), um aus energiearmen Stoffen energiereiche Biomoleküle wie Kohlenhydrate aufzubauen. Der dahinter liegende physiologische Prozess ist als Fotosynthese bekannt. Dieser Vorgang ermöglicht es der Pflanze Biomasse aufzubauen und somit zu wachsen. Auch Pflanzen haben ein Licht-Limit. Bei zu hohen Intensitäten kann eine sogenannte Lichtsättigung eintreten. Dieses Phänomen beschreibt den Effekt, wenn trotz zunehmender Lichtintensität die Fotosyntheseleistung nicht mehr ansteigt. Dann nämlich wirken andere Einflussfaktoren der Fotosynthese (CO2 -Temperatur) nach dem Gesetz des Minimums immer stärker limitierend auf die Fotosyntheseleistung. Falls die Lichtintensität trotzdem weiter ansteigen sollte, kann dies sogar zu einer Schädigung der Gewebe (unter Beteiligung von Sauerstoffradikalen) führen. Die chemischen Reaktionen der Fotosynthese sind stärker von der Anzahl der Photonen abhängig, als von der Energie, die diese enthalten. Die fotosynthetische Photonenstromdichte (kurz PPFD) misst man mit der Anzahl der Photonen im Bereich von 400 – 700 nm, die auf eine Oberfläche in einem bestimmten Zeitraum treffen. Im Jahr 2009 untersuchte der Wissenschaftler Suman Chandra, von der University of Mississippi, drei Fotosyntheseinflussfaktoren (PPFD, Temperatur und CO – Konzentrationen) hinsichtlich ihrer Wirkung auf die Fotosyntheserate von Cannabis. Er kam zu dem Ergebnis, dass bei Temperaturen von 20 bis 25 °C eine Erhöhung der PPFD auch zu einer erhöhten Fotosyntheserate führte. Die maximale Fotosyntheserate lag bei 30 °C und einem PPFD von 1500 µmol m-2s-1. Bei einer höheren PPFD verringerte sich die Fotosyntheserate wieder. Auch eine Erhöhung der CO2-Konzentrationen wirkte sich positiv auf das Pflanzenwachstum aus. Chandra kam zu dem Entschluss, dass der optimale Wohlfühlbereich von Cannabispflanzen bei Temperaturen zwischen 25 und 30 °C in Kombination mit Lichtquellen mit einer PPFD von ungefähr 1500 µmol m-2s-1 liegt.
In den letzten Jahren ist die Entwicklung der LED-Technik für den Gartenbaubereich stark vorangeschritten. Trotz der höheren Anschaffungskosten hat der verminderte Energieverbrauch nicht nur langfristig betrachtet ökonomische Vorteile, sondern es scheint auch, dass durch die gezielte Steuerung des Lichtspektrums Einfluss auf die Qualität und Zusammensetzung der Inhaltsstoffe genommen werden kann. Als Referenzgröße für optimale Lichtqualität ist das Strahlungsspektrum des Sonnenlichts anzusehen. Diese Lichtquelle deckt nicht nur das gesamte Farbspektrum ab, das für die Fotosynthese von Bedeutung ist, sondern auch darüber hinaus. Je nach Pflanzenart kann sich der Nah-Infrarotbereich (> 700 nm) und/oder der Ultraviolette-Bereich (< 400 nm) positiv auf gewünschte Ziele im Pflanzenanbau auswirken. Diese Bereiche fehlen den meisten künstlichen Lichtquellen.
Im Cannabisanbau wird bereits mit LED-Technik gearbeitet. Neben dem richtigen Spektrum für optimales Pflanzenwachstum und einer hohen Strahlungsstärke wurde schon versucht, durch Veränderungen des Lichtspektrums die Entwicklung von sekundären Pflanzenstoffen anzuregen. Für einige Nutzpflanzenarten wie Salat, Tomaten und verschiedene Kräuter wurde bereits der Einfluss des Lichtspektrums auf die Konzentrationen sekundärer Inhaltsstoffe untersucht, wobei die Effekte offenbar stark von der Pflanzenart abhängen. Für Cannabis liegen kaum wissenschaftliche Veröffentlichungen vor, es wurde jedoch verschiedentlich berichtet, dass eine Verstärkung des roten Spektrums positiv auf die Bildung von Cannabinoiden zu wirken scheint. Die Cannabinoid-Konzentrationen in Blättern von Pflanzen unter Rotlicht, trotz insgesamt geringerer Lichtintensität, waren höher als unter herkömmlichen Kunst-Licht.
Cannabis Sorten mit hohen THC Gehalten stammen aus Regionen mit hoher UV-Strahlung und Sorten mit hohen CBD Gehalten aus Gegenden mit niedriger UV-Strahlung. Forscher haben gezeigt, dass bei Kunstlicht mit zusätzlicher UV-Strahlung der THC Gehalt erhöht werden konnte und es keinen Einfluss auf die CBD Gehalte gab. Jede Sorte reagiert demnach abhängig von ihrer genetischen Herkunft ganz unterschiedlich auf die Änderung des Lichtspektrums. Unsere ersten Versuche haben gezeigt, dass der Nährstoffbedarf bzw. die Nährstoffverwertung der Pflanzen von den Lichtquellen beeinflusst wurde. In allen Versuchsdurchläufen wurden die Pflanzen mit der gleichen Nährlösung versorgt. Dennoch waren die Wuchsleistungen und Ertrag sehr unterschiedlich in unseren Varianten. Insbesondere Stickstoff, Kalium und Schwefel waren nicht in ausreichender Konzentration in den Blättern der Pflanzen vorhanden, dessen Wuchsleistung beeinträchtigt war. Die verschiedenen Lichtquellen hatten einen starken Einfluss auf die klimatischen Gegebenheiten in unseren Klimakammern. Die Temperatur und Luftfeuchtigkeit waren sehr unterschiedlich. Durch unsere Klimaregulierung lässt sich die veränderte Nährstoffverwertung nicht allein durch die Varianz im Klima erklären. Ein neuer Versuch ist im Aufbau, indem wir gezielt den Verbrauch der Nährstoffe und die Lichtqualität vergleichen wollen.
Nährstoffbedarf/Düngung
Cannabispflanzen haben durch ihr schnelles vegetatives Wachstum einen hohen Nährstoffbedarf. Das haben sich viele Firmen zu Nutzen gemacht und der Markt ist überflutet von Produkten zur Nährstoffversorgung. Eine verbreitete Ernährungsempfehlung ist die sogenannte Canna-Methode, die auch in einigen wissenschaftlichen Studien verwendet wurde. Hier werden zwischen 5 und 6 unterschiedliche Produkte für unterschiedliche Wachstumsphasen eingesetzt.
Vielen Blütedüngern werden zusätzlich zu den essenziellen Mikro- und Makronährstoffen Hormone beigesetzt, beispielsweise Paclobutrazol (in Deutschland nicht mehr zugelassen) und Cycocel (Chlormequat) zur Blütenstimulation. In unseren ersten Versuchen konnten wir, wie schon erwähnt, feststellen, dass der Nährstoffbedarf/Nährstoffverwertung unserer Cannabispflanzen von der Lichtquelle beeinflusst wurde. Diesen Einflussfaktor möchten wir uns genauer ansehen. Dafür brauchen wir einen Versuchsaufbau, bei dem die Pflanzen mit allen benötigten Nährstoffen in ausreichender Menge versorgt sind. Diese Methode nennt sich Deep Water Culture (DWC), dabei steht jede einzelne Versuchspflanze in einem eigenen kleinen belüfteten Wassertopf. Auf diese Weise haben wir die Möglichkeit jeder Pflanze einen Nährstoff in einer definierten Konzentration zu geben. Die unterschiedlich versorgten Pflanzen werden eins zu eins verschiedenen Lichtquellen ausgesetzt. Unsere Lichtquellen sind unterschiedliche LED (billig vs. teuer) und Natriumdampflampen.
In einem ersten Schritt schauen wir uns die Nährstoffe Stickstoff, Phosphor, Kalium und Schwefel an. Dafür werden unterschiedliche Nährlösungen angesetzt, die für den jeweiligen Nährstoff einen Konzentrationsgradienten aufweist (etwa Nährlösung 1–3 mit allen benötigten Nährstoffen, außer Stickstoff mit Konzentrationen von 0, 100 oder 200 mg/l). Der Versuch ist momentan im Aufbau, sodass wir leider noch keine Ergebnisse präsentieren können.
Sprühdünger
Die Nährstoffaufnahme bei Pflanzen über die Wurzel ist physikalischen und chemischen Reaktionen im Boden/Substrat ausgesetzt. Versorgungsengpässe von Nährstoffen entstehen durch verminderte Wurzelaktivität während der generativen Phase, bei starkem vegetativem Wachstum oder durch zu hohe/niedrige pH-Werte. Verminderte Transpirationsraten der Sprosse können zu Mangelversorgung von Immobilien Nährstoffen (Ca, B, Mn) besonders in Neutrieben führen. Diese Schwankungen der Nährstoffaufnahme können eine qualitative Heterogenität im Bestand bewirken, wie es z. B. im Cannabisanbau über den THC-Wert der Blüten berichtet wird.
Die Blattdüngung könnte in Phasen von Engpässen Pflanzenorgane schnell und zielgerichtet mit den nötigen Nährstoffen versorgen. Aufwandmengen an Wasser und Nährstoffen können im Vergleich zur Bodendüngung reduziert werden, was ein nicht unerheblicher Aspekt für den kommerziellen Anbau ist.
Im medizinischen Cannabisanbau sind Ertrag und Blütenqualität (Zusammensetzung an sekundären Inhaltsstoffen – Cannabinoide, Flavonoide, Terpene) wichtige Indikatoren zur Sicherstellung von Dosierungsangaben und erfolgreicher Therapie.
Im Erwerbsanbau von Obst, Gemüse und Zierpflanzen werden für die Qualitäts- und Ertragssteigerung bereits Sprühdünger eingesetzt, die direkt auf die oberirdischen Pflanzenorgane oder Früchte gegeben werden. Zur Stimulation und Ausbildung von Blüten sind insbesondere P und K als Sprühdünger vorherrschend. Für den Fruchtansatz- und die -Qualität werden Ca und B Blattdünger verwendet. In den letzten Jahren werden verstärkt Bio-Wachstumsregulatoren in wissenschaftlichen Versuchen getestet. Neben dem Ziel, die Qualität und Erntemengen zu verbessern, wird nach Alternativen zur mineralischen Nährstoffversorgung gesucht. Bio-Wachstumsregulatoren sind pflanzliche oder tierische Ausgangsstoffe, die reich an Nährstoffen und natürlichen Hormonen sind. Hierzu gehören beispielsweise Algen und Mikroorganismen. Sie weisen oft hohe Konzentrationen an Cytokininen auf. In unseren Versuchen mit unserem Bio-Wachstumsregulator aus eigener Produktion waren die Auswirkungen auf die Cannabis Pflanzen stark von der Verdünnung abhängig. Zu hohe Konzentrationen der aktiven Substanz im Sprühdünger bewirkte eine starke Verzweigung der Pflanzen und Blüten. Die Blüten sind in sich weiter ausgetrieben. Das führte zu buschigen Blüten, die ihre Festigkeit und Kompaktheit einbüßten.
Mit unserem P-K-Sprühdünger haben wir unterschiedliche Ergebnisse erzielt. Eine positive Auswirkung auf den Ertrag und die Pflanzengesundheit konnten wir in unseren Versuchen auf Erde feststellen und wird in zahlreichen Studien für andere Pflanzenarten in wissenschaftlichen Veröffentlichungen beschrieben. Im Gegensatz zur P, K Bodendüngung ist die Aufwandmenge an aktiver Substanz wesentlich geringer. In großen Anbausystemen lassen sich durch den Einsatz von Sprühdüngern, insbesondere in Erdkulturen, der Einsatz von Mineralien minimieren, sodass der Anbau ressourcensparend und nachhaltiger ist. Wir finden immer wieder neue Forschungsfragen und erstellen Hypothesen, die wir in wissenschaftlichen Versuchen testen. So werden wir auch in Zukunft über unserer interessanten Ergebnissen berichten können.