Ökologischer Hanfanbau ist eine große Hoffnung für einen verbesserten Klima- und Umweltschutz. Cannabispflanzen, die Outdoor auf Feldern gezogen werden, können dank ihrer vielfältigen Einsatzmöglichkeiten einen essenziellen Beitrag zur CO₂-Verringerung leisten. Andererseits gibt es neue Studien, die eine unbequeme Wahrheit belegen: Industrielle Indoor-Anlagen sind für einen hohen Ausstoß von Treibhausgasen verantwortlich. Hanf-Kultivierung kann auf vielfältige Weise zum Klimaschutz beitragen – es muss dafür aber noch viel geschehen – bei Growern, der Politik und den Produkten.
Cannabis ist eine extrem vielseitige Pflanze. Ihre Blüten haben medizinischen Nutzen und können stimmungsaufhellende, harmonisierende Wirkungen haben. Ihre Samen sind reichhaltig an Nährstoffen und können zu wertvollen Bio-Ölen verarbeitet werden. Die Fasern sind robust und für Textilien und Baustoffe verwendbar. Dazu hat Hanf auch als Agrarpflanze das Potenzial, großes für die Umwelt zu leisten. Was Hanf-Enthusiasten schon lange predigen, wurde vom skeptischen Mainstream jahrzehntelang bestenfalls als naive Hippie-Träumerei belächelt.
In den letzten Jahren ist die Akzeptanz für medizinisches und rekreatives Cannabis in vielen Ländern der Welt jedoch deutlich gestiegen. Gleichzeitig wird immer mehr Menschen bewusst, dass der ungebremste Verbrauch von fossilen Brennstoffen uns und dem Leben auf unserem Planeten extremen Schaden zufügen. Besonders die Emissionen von Treibhausgasen wie CO₂ werden dafür verantwortlich gemacht, dass sich das Klima erwärmt und der Meeresspiegel langsam ansteigt. Damit der menschengemachte Klimawandel verlangsamt wird und der Raubbau an der Natur aufhört, braucht es große Veränderungen in den industrialisierten Gesellschaften. Kann Hanf wirklich einen nennenswerten Beitrag dazu leisten? Immer mehr Experten sind überzeugt, ja, Cannabis-Kultivierung kann auf vielen Ebenen einen positiven Impact auf die Umwelt haben. Aber das gilt nicht für jede Art des Anbaus.
Cannabis als besonders guter CO₂-Fänger
Alle Pflanzen nehmen CO₂ aus der Atmosphäre und verarbeiten sie zusammen mit Wasser und Sonnenlicht zu Kohlenhydraten und Sauerstoff. Da wir aber tonnenweise Öl aus der Erde entnehmen, in die Atmosphäre pusten und gleichzeitig unsere Wälder abholzen, haben wir derzeit den höchsten CO₂-Gehalt seit 800.000 Jahren in der Atmosphäre. Eine wirksame Art, dem entgegenzuarbeiten, ist es, neue Bäume und Wälder zu pflanzen, die das atmosphärische Kohlendioxid binden. Hanf ist allerdings ein noch besserer Akteur als die mächtigen Bäume. Studien haben gezeigt, dass Wälder etwa zwei bis sechs Tonnen CO₂ pro Hektar im Jahr binden können. Nutzhanf-Felder dagegen zwischen acht und 15 Tonnen.
Nachhaltige Hanfprodukte
Einmal geerntet, kann Hanf vollständig und vielseitig verarbeitet werden. Das Tolle ist, dass diese Produkte auch noch in ihrer Funktion zu mehr Nachhaltigkeit beitragen, da sie andere umweltschädliche Materialien ersetzen. Solange sie nicht verbrannt oder kompostiert werden, binden sie das CO₂ also auch in verarbeiteter Form noch. Wie gut, dass das Rauchen der weiblichen Blüten nur einen minimalen Anteil des Pflanzenpotenzials darstellt und deshalb bei der Umweltbilanz eher vernachlässigt werden kann.
Dass Textilien aus Hanf Klassiker sind, wäre untertrieben, da sich Menschen schon seit tausenden Jahren in Hanffasern kleiden. Allerdings hat sich dann die Baumwolle durchgesetzt. Diese benötigt aber vergleichsweise viel Wasser. Eine Studie des Leibniz-Institutes für Agrartechnik und Bioökonomie hat belegt, dass Nutzhanf eine sechsmal höhere Wasserproduktivität als Baumwolle hat und auch in trockenen Gebieten den Grundstoff für Textilien liefern kann.
Eine erstaunlich nützliche und klimafreundliche Verwendung von industriellem Hanf ist als Baumaterial. Die Herstellung von einer Tonne Stahl erzeugt etwa 1,46 Tonnen an CO₂, die von einer Tonne Beton immer noch 198 Kilo. Laut dem Forschungsleiter des Building Research Park der University of Bath, kann eine 120 Kilogramm schwere Hanf-Wand 35,5 Kilo CO₂ binden, nutzt also mehr, als sie schadet. Nicht nur als Beton-Ersatz „Hempcrete“, sondern auch als Dämmstoff hat Hanf großartige Baueigenschaften. Es muss kaum mit Chemikalien behandelt werden, bevor es zwischen Wände und Decken kommt und ist atmungsaktiv, was sich positiv auf die Heizbilanz auswirkt.
Mit Hanföl klimafreundlich auf Touren kommen?
Hanfsamen enthalten Öl, das sich als Lebensmittel verwenden, aber auch als Biosprit für Fahrzeuge einsetzen lässt. Biokraftstoffe haben den Vorteil, dass sie nicht aus den Tiefen der Erde gewonnen werden müssen und vergrabene Giftstoffe freisetzen, sondern nachwachsend sind. Sie sind aber auch umstritten, da sie immer noch durch Verbrennungsmotoren laufen und CO₂ abgeben. Und die Rohstoffe dafür, meist Soja, Getreide oder Palmöl, müssen erst einmal angebaut werden. Das geschieht oft auf Feldern, die auf extra dafür abgebrannten Urwäldern angelegt werden. Hanf bringt auch hier Vorteile mit ins Spiel, denn die Cannabispflanze ist genügsam und wächst auf Böden, wo sonst nur wenige Nutzpflanzen gedeihen. Anstatt Ökosysteme zu zerstören, um Monokulturen zu errichten, kann Hanf-Sprit eine nützliche Treibstoff-Alternative sein.
Ein Segen für die Öko-Landwirtschaft?
Bei ökologischen Landwirten ist Nutzhanf – wenn sein Anbau nicht durch Regulationen erschwert wird – eine sehr beliebte Pflanze. Sein Anbau ist gut für den Boden, da er tiefe Pfahlwurzeln ausbildet, die das Erdreich auflockern und Grundwasser aus der Tiefe holen. Das Kohlendioxid, was sie aus der Luft aufnehmen, bleibt bei konservierender Bodenbearbeitung unter der Erde gebunden. Hanf gilt als gute „Vorfrucht“ und lässt sich besonders in Mischkulturen einsetzen. Dazu benötigt Hanf unter freiem Himmel kaum Pestizide.
Hoher Energieverbrauch beim Indoor-Growing
Auf Feldern sorgen Sonne, Wind, Regen und Erde für alles, was Pflanzen benötigen. Aber professionelle Grower setzen gerne auf den Indoor-Betrieb: So kann man das Wachstum besser kontrollieren, Schädlinge und kritische Wetterverhältnisse fernhalten und vor allem schnelle und große Erträge für den medizinischen und freizeitlichen Konsum ernten. Indoor-Grower spielen gewissermaßen Gott für die Pflanzen, und das bedeutet vorwiegend künstliche Energiezufuhr.
Neuere wissenschaftliche Erkenntnisse belegen, wie hoch die Umwelt-Auswirkungen von industriell angebautem Indoor-Hanf werden können. Eine Studie der Colorado State University hat sich mit dem kommerziellen Cannabis-Indoor-Anbau an verschiedenen Orten in den USA beschäftigt. Die Forscher haben die fürs Growing benötigten Energiemengen und Materialien analysiert und die daraus entstehenden Treibhausgase berechnet. Demnach schwanken die Emissionen pro Kilogramm Ertrag an getrockneten Blüten zwischen zwei und fünf Tonnen CO₂-Äquivalenten – abhängig von Standort, Anlagen und vielen weiteren Faktoren.
Zum Vergleich: Eine Person verursacht eine Tonne CO₂ bei einem Hin- und Rückflug zwischen Frankfurt und Lissabon oder einer Autofahrt mit einem Mittelklasse-Benziner von 4.900 km. Bei der Berechnung sind Lagerung und Vertrieb nicht enthalten. Der New Scientist titelte sogar, dass die Cannabis-Industrie in Colorado einen größeren CO₂-Fußabdruck als der dortige Kohle-Abbau habe. Auch im Vergleich zu anderen pflanzlichen Genussmitteln, wie Bier, Wein, Kaffee und Tabak schneidet Cannabis laut der Colorado-Studie emissionstechnisch schlechter ab.
Für die Beleuchtung, die je nach Vegetationsphase bis zu 18 Stunden dauern muss, braucht es dabei entsprechende Wattzahlen. Stromsparende LED-Lampen sind zwar besonders bei kleineren Growern beliebt, aber wer Wert auf maximale Ernten bei Cannabisblüten legt, setzt auf künstliche Beleuchtung mit Natrium-Hochdrucklampen, die besonders viel Energie benötigen.
Künstliche Belüftung und Luftentfeuchtung ist ebenfalls notwendig, wenn man im großen Stil innen anbauen möchte. Wie hoch der energetische Aufwand dafür ist, beschrieb der Cannabis-Großbauer Bryan Ebstyne der Rheinischen Post: Allein die Klimaanlage für die fußballfeldgroße Halle in Washington habe 1,8 Millionen US-Dollar gekostet, die Stromrechnung betrage 70.000 US-Dollar pro Monat.
Was die Treibhausgas-Emissionen zusätzlich zum Stromverbrauch in die Höhe treibt, sind Zuführungen von CO₂ auf die Plantagen, um das Wachstum zu beschleunigen.
Gerät bei einer abgeschlossenen Innen-Kultivierung etwas aus dem Gleichgewicht, können schnell Krankheiten und Schädlinge entstehen. Werden unreguliert Pestizide und künstliche Düngemittel hinzugefügt, kommt es neben dem Verbrauch noch zur Grundwasserverschmutzung.
Die Studie „Energy Use by the indoor Cannabis Industry“ spricht zudem noch weitere Ursachen für Energiekosten an, die speziell in Cannabis-Plantagen auftreten: Die CO₂-Injektionen erfordern absolut dichte Räumlichkeiten, weshalb kein natürlicher Luftaustausch stattfinden kann. Aus Sicherheitsgründen sind viele Gewächshäuser mit undurchsichtigen Wänden versehen, wodurch nützliches Sonnenlicht draußen gehalten wird. Nachts müssen die Anlagen oft wegen Lichtverschmutzungsauflagen abgedeckt werden, Hitze kann so nicht entweichen. So sind diese Gewächshäuser nahezu von der Außenwelt abgeschlossen, Licht- und Luft-Verhältnisse müssen vollständig künstlich erzeugt werden – in vielen Fällen angetrieben von fossilen Energieträgern.
Wie lässt sich der CO₂-Fußabdruck verringern?
Die Cannabiswirtschaft steht zusätzlich vor besonderen Herausforderungen, da der kommerzielle Anbau vielerorts noch mit Skepsis und hohen bürokratischen Hürden verbunden ist. Ignoriert man den derzeit beträchtlichen CO₂-Fußabdruck der Indoor-Industrie, bekommen Gegner ein weiteres Argument, gesetzliche Riegel vorzuschieben.
Es ist beim Indoor-Anbau im großen Stil leider nicht so einfach, bloß auf Energiesparlampen zu setzen und zu hoffen, dass die steigenden Energiepreise die Produzenten dazu animieren, sparsamer zu werden. Es müssen viel mehr Daten über den Ressourcenverbrauch beim Cannabisanbau gesammelt, ausgewertet und veröffentlicht werden. Genaue Energie- und Treibhausgas-Berechnungen, basierend auf neuesten Forschungserkenntnissen, helfen dabei, gezielte Gegenmaßnahmen zu treffen und Emissionen langfristig zu senken.
Manche Indoor-Grower setzen auf Fotovoltaik-Anlagen zur Stromerzeugung, was löblich und ratsam ist, aber maximal eine Teil-Unterstützung sein kann. Um große Gewächshäuser energetisch vollständig mit Sonnenenergie zu versorgen, wären laut „Energy Use“ Studie derzeit Solarpanels nötig, die die vielfache Anbaufläche in Anspruch nehmen würden.
Umfangreiche Aufklärung der Kunden ist nützlich, um umweltfreundliche Bedingungen zu fördern. Immer mehr Menschen richten ihre Kaufentscheidungen danach, wo ihre Konsumgüter herkommen und unter welchen Umständen sie produziert worden sind. Hier könnte unter anderem die Etablierung von zuverlässigen Umwelt- und Nachhaltigkeitslabels auf den Cannabis-Produkten helfen. Wer Produkte aus ökologischem Outdoor-Anbau anbietet, sollte dies auch kenntlich machen. Erzeugnisse, die nur Indoor gezüchtet werden können, wie Medizinalhanf, könnten ausgezeichnet werden, wenn bestmögliche Energiesparmaßnahmen getroffen worden sind, sodass sich die Konsumenten daran orientieren können.
Es braucht andere Regulierungen
Der wahrscheinlich wichtigste Faktor für die Reduzierung der Emissionen in der Cannabiswirtschaft sind vernünftige und vorausschauende Regulierungen, die mit einer nachhaltigen Umweltpolitik harmonisieren – da sind sich die genannten Studien einig. Bisherige Verbote und Beschränkungen haben den agrikulturellen Fortschritt beim Nutzhanf und neue wissenschaftliche Erkenntnisse bei Marihuana jahrzehntelang aufgehalten und stattdessen versteckte, energiehungrige Anbaumethoden gefördert, deren schädliche Zusätze niemand kontrolliert. Anstatt die Sortenzulassung davon abhängig zu machen, dass die Wirkstoffe unnatürlich niedrig gehalten werden, sollten solche Varianten gefördert werden, die möglichst effizient und angepasst an die entsprechenden Umweltverhältnisse sind. Eine CO₂-Steuer mit Lenkwirkung wäre eine Regulierung, die umwelttechnisch viel Sinn ergeben würde und Landwirte und Grower dazu anhält, so klimafreundlich wie möglich zu arbeiten. Gleichzeitig sollten Anreize für mehr Nachhaltigkeit beim Cannabis-Growing geschaffen werden, ökologischer Outdoor-Anbau sollte subventioniert werden.
Es ist zu erwarten, dass der Anbau von Hanf in den nächsten Jahren in vielen europäischen Ländern weiter legalisiert und das Wachstum Indoor wie Outdoor hochschnellen wird. Alle Beteiligten haben hier eine große Chance, aus bisherigen Fehlern in den USA zu lernen. Die moderne Agrikultur einer uralten Pflanze kann so aufgezogen werden, dass sie nachhaltig geschieht und ein Vorbild für ökologische Landwirtschaft und Pflanzenzucht im 21. Jahrhundert sein kann.